Cry Macho [2021]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. April 2023
Genre: Drama

Originaltitel: Cry Macho
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Clint Eastwood
Musik: Mark Mancina
Besetzung: Clint Eastwood, Eduardo Minett, Natalia Traven, Dwight Yoakam, Fernanda Urrejola, Horacio García-Rojas


Kurzinhalt:

Früher war Rodeoreiter Mike Milo (Clint Eastwood) ein gefeierter Star, doch seit einem tragischen Unfall und einer persönlichen Tragödie ist er für Rodeobesitzer Howard Polk (Dwight Yoakam) zu unzuverlässig, um ihn weiter auf der Ranch zu beschäftigen. Doch benötigt Howard Mikes Hilfe. Er soll Howards Teenagersohn Rafo (Eduardo Minett) finden, der bei seiner Mutter in Mexiko lebt, und ihn nach Texas bringen. Auch wenn Howard bislang keine Rolle in Rafos Leben gespielt hat, möchte er das nun ändern und ihm sind Berichte zu Ohren gekommen, wonach Rafo misshandelt wird. Widerwillig nimmt Mike die Aufgabe an und macht sich auf nach Mexiko. Rafos Mutter Leta (Fernanda Urrejola), die großen Einfluss besitzt, will ihren Sohn jedoch nicht gehen lassen, selbst wenn sie sich mit ihm nicht versteht. Als Mike ihn findet, beginnt ein Road Trip zur Grenze, bei dem der abweisende Rafo Vertrauen in den alten Cowboy Mike fasst – und Mike einen neuen Sinn in seinem Leben findet …


Kritik:
Clint Eastwoods Charisma vor sowie seine Handschrift hinter der Kamera sind die zwei bedeutendsten Punkte, die für das lange in Entwicklung befindliche Drama Cry Macho sprechen. Selbst dann, wenn beides womöglich der Grund ist, weshalb der Film selbst nie wirklich in Fahrt kommt. Auf den unvergleichlichen Star im Zentrum zugeschnitten, erzählt er eine Geschichte über Verlust und die Suche, den Wert des eigenen Selbst zu erkennen. Toll bebildert, ist das doch behäbig und inhaltlich unausgegoren.

Dabei war N. Richard Nashs gleichnamige Romanvorlage aus dem Jahr 1975 ursprünglich ein Drehbuch, für das jedoch kein Studio gewonnen wurde. Erst, nachdem Nash es in einen Roman umwandelte, interessierten sich die Produzenten dafür. Dennoch sollte es sehr, sehr lange dauern, ehe das Projekt mit Clint Eastwood im Hintergrund Form annahm. Die Adaption setzt im Jahr 1979 an und stellt Eastwood als ehemaligen Rodeoreiter Mike Milo vor, der nach einem Unfall, privaten Abstürzen und Tragödien seinen Zenit weit überschritten hat. Als Gefallen für seinen ehemaligen Arbeitgeber und Geschäftsmann Howard soll er nach Mexiko reisen und von dort Howards 13jährigen Sohn Rafo in die USA zu ihm bringen. Rafos Mutter Leta ist damit jedoch nicht einverstanden und setzt ihre wenig zimperlichen Mitarbeiter auf Mike an. Rafo selbst ist merklich auf die schiefe Bahn geraten, wird aber zuhause offenbar misshandelt. Was für Mike wie ein einfacher Auftrag beginnt, wird zunehmend persönlich, als er in Mexiko nicht nur eine väterliche Beziehung zu Rafo aufbaut, sondern sogar so etwas wie einen neuen Sinn in seinem Leben findet.

Das klingt als Idee interessanter, als Cry Macho diese letztlich umzusetzen vermag. Von den zahlreichen Ansätzen kommt kaum einer wirklich zur Geltung. Zwar wird Mike als gebrochene Figur vorgestellt und sein Werdegang auch erläutert, doch dass er überhaupt auf der Suche nach einer Bedeutung in seinem Leben ist, oder sich lediglich von einem Tag zum anderen hangelt, wird nicht einmal angerissen. Seine Karriere fand nach einem Unfall ein jähes Ende und von seinem einstigen Ruhm ist nichts mehr übrig. Mike, der als Inbegriff eines Cowboy auftritt, im Verlauf zugeben zu hören, dass das unnahbare, kantige Auftreten, das als männlich empfundene Image eines taffen Einzelgängers, eines Machos, dem Rafo so sehr entsprechen möchte, nicht erstrebenswert ist, ist an sich eine gelungene Botschaft. Doch sie wird quasi beiläufig eingestreut und scheint auf Rafo selbst und seinen Entschluss, zu seinem Vater nach Texas zu gehen, keine Auswirkung zu haben. Überhaupt kommt die Geschichte des Jungen, der anfangs niemandem vertrauen will und nach einer Enttäuschung diesen Entschluss nochmals bekräftigt, letztlich an keinem wirklichen Ziel an. Was immer Mike Rafo als Weisheit mit auf den Weg geben wollte, versickert letztlich ungehört. Oder zumindest so, dass nicht sichtbar ist, dass Rafo sie gehört hat. Seine Story findet keinen wirklichen Abschluss, ebenso wenig wie diejenige von Leta – oder Howard. Wäre Mike nach Mexiko gefahren, um einen auf der Straße lebenden Jungen zu finden und in die USA zu bringen, die Geschichte hätte genau gleich verlaufen können.

Insofern ist es bedauerlich, dass die Story aus den Figuren nicht mehr zu machen versteht. Mike und Rafo mit Letas bewaffnetem Gehilfen Aurelio jemand auf die Fersen zu schicken, ist gleichermaßen vergebens, wenn die Bedrohung für ihren Road Trip zuallermeist von der mexikanischen Polizei ausgeht, die sich auf die Suche nach den beiden gemacht hat. Cry Macho scheint die Ansätze kaum weiterverfolgen zu wollen, oder inhaltlich so stark komprimiert, dass die Entwicklungen der Figuren letztlich nicht mehr zur Geltung kommen. Das Ergebnis ist eine Geschichte, bei der man Mike und Rafo dabei beobachtet, wie sie in einem kleinen mexikanischen Dorf, in dem sie sich notgedrungen aufhalten müssen, Anschluss finden, neue Bekanntschaften sowie einen Sinn und Zweck finden. Das ist zwar sympathisch gespielt, von Clint Eastwood mit einem geradezu ansteckenden Charisma auch einnehmend, aber es ist kaum packend.

Dafür kleidet Cry Macho die Story in wundervolle Bilder, bei denen die Perspektiven selbst so gelungen sind wie das Spiel aus Licht und Schatten. Sie sorgen für eine fantastische Stimmung, bereits zu Beginn, wenn Mike Howard aufsucht und das goldene Licht die Szenerie erfüllt. Die Optik wirkt dabei selbst in einer kargen Landschaft geradezu melancholisch und spiegelt damit Mikes inneren Zustand treffend wider. Lässt man sich auf diese ruhige Erzählung ein, kann man sich von den Eindrücken wie auch der Präsenz von Clint Eastwood tragen lassen. Beides kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die episodenhaft erzählte Geschichte dem nicht gerecht wird.


Fazit:
Dass weder die persönliche Reise von Mike Milo, noch diejenige des von Eduardo Minett gespielten Rafo wirklich überzeugen können, ist am Ende beinahe unverständlich. Beide besitzen für sich genommen gelungene Momente und auch ihre gemeinsamen Szenen besitzen eine spürbare Chemie. Doch als Figuren bleiben sie blaß und kaum definiert, was auch daran liegt, dass es zu wenige Höhen und Tiefen gibt und sie kaum eine persönliche Erkenntnis aus dem Erlebten gewinnen. So beobachtet man ihre Reise an die mexikanisch/US-amerikanische Grenze, aber man wird nicht entsprechend mitgenommen, wenn ihnen die Polizei oder Aurelio auf den Fersen sind. Cry Macho versucht sich hier teilweise als Drama mit Krimi-Elementen, anstatt sich auf ersteres vollends zu verlassen. Mikes Reise, um an seinem Lebensabend eine neue Aufgabe zu finden, kommt so kaum zur Geltung. Wäre es nicht um die Ausstrahlung von Clint Eastwood selbst oder seine unvergleichliche Art, die Bilder der Geschichte zu finden, wäre die Adaption eine große Enttäuschung. So ist sie dennoch eine verpasste Chance, wenn auch eine, bei der man immer wieder staunen muss, mit welcher Energie und welch handwerklicher Sicherheit der damals 90jährige Filmemacher immer noch zu Werke geht.