Coco - Lebendiger als das Leben! [2017]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Oktober 2017
Genre: Animation / Fantasy / Komödie

Originaltitel: Coco
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Lee Unkrich, Adrian Molina
Musik: Michael Giacchino
Originalstimmen: Anthony Gonzalez, Benjamin Bratt, Gael García Bernal, Ana Ofelia Murguía, Renée Victor, Jaime Camil, Sofía Espinosa, Luis Valdez, Lombardo Boyar, Edward James Olmos, Alanna Ubach, Selene Luna, Alfonso Arau


Kurzinhalt:

Der 12-jährige Miguel (Anthony Gonzalez) lebt mit seiner Familie in Mexiko. Seit Generationen sind sie angesehene Schuhmacher, doch Miguels großer Traum ist es, Musiker zu werden. Heimlich hat er sich das Gitarrespielen beigebracht, da in seiner Familie Musik gewissermaßen verboten ist. Am Feiertag des Tags der Toten möchte Miguel an einem Musikwettbewerb teilnehmen, während seine Großmutter (Renée Victor) darauf besteht, den Traditionen zu folgen und sich an die verstorbenen Familienmitglieder zu erinnern. Als sich Miguel darüber hinwegsetzt, verschlägt es ihn in das Reich der Toten, wo er auf seine verstorbenen Angehörigen, angeführt von Mamá Imelda (Alanna Ubach) trifft. Die wollen ihn wieder in das Reich der Lebenden senden, doch Miguel möchte unbedingt sein Idol, den verstorbenen Musiker Ernesto de la Cruz (Benjamin Bratt), treffen. Dabei soll ihm Hector (Gael García Bernal) helfen, an den sich im Reich der Lebenden niemand mehr erinnert. Doch wenn sich niemand mehr an die Verstorbenen erinnert, verschwinden die Geister der Toten für immer. Für Miguel und für Hector wird die Zeit im Reich der Toten knapp …


Kritik:
In ihrem 19. Spielfilm begeben sich die Animationskünstler von Pixar auf eine kulturelle Reise nach Mexiko zum "Tag der Toten". Das Abenteuer, das sie erzählen, rückt einmal mehr die Familie in den Vordergrund und dass man seine Träume verfolgen soll, um glücklich zu werden. Das ist nicht neu, aber nichtsdestoweniger wahr und so entwickelt Coco - Lebendiger als das Leben! eine gelungene Atmosphäre, bei der es Spaß macht, dem Geschehen auf der Leinwand zuzusehen. Nur berührt das nie so sehr, wie es sollte – oder möchte.

Erzählt wird die Geschichte von dem Jungen Miguel, dessen Familie seit Generationen Schuhmacher sind. Auslöser war sein Ururgroßvater, der Musiker sein wollte und loszog, seinen Traum zu verwirklichen, während seine Frau und die gemeinsame Tochter zurückblieben. Er kehrte nie zurück und aus Enttäuschung über ihn und die Musik, die ihr den Mann geraubt hatte, verbannte Miguels Ururgroßmutter die Musik aus dem Haus. Auch diese Tradition wurde seither beibehalten. Es ist verboten, ein Instrument zu spielen, zu singen oder sich für Musik zu interessieren. Dabei ist es Miguels größter Traum, selbst Musiker zu sein und das Gitarrespielen hat er sich bereits selbst beigebracht.

In der Familie, die Regisseur Lee Unkrich vorstellt, wird wohl ein jeder und eine jede Eigenschaften wiederentdecken, die es in jeder Familie gibt. Seien es die unterschiedlichen Ansichten, die aufeinanderprallen, oder das Zusammengehörigkeitsgefühl, das den Begriff Familie auszeichnen sollte. Es sind Aspekte, die Coco ebenso gut gelingen, wie der fantastisch farbenfrohe Look und die passende musikalische Untermalung. Die Farbpalette strahlt eine ansteckende Wärme aus.
Miguel verfolgt seinen Traum und leiht sich hierfür die sagenumwobene Gitarre seines Idols Ernesto de la Cruz aus. Daraufhin findet er sich im Land der Toten wieder, wo er lernt, was der Tag der Toten für diejenigen bedeutet, die aus dem Leben geschieden sind und dass er selbst vielleicht einen berühmten Vorfahren hatte. Seine verblichene Familie, auf die er im Jenseits trifft, kommt ihm dabei ebenso stur vor, wie seine lebendige. Aber auch hier lernt Miguel, die Dinge mit anderen Augen zu sehen.

Wäre es nicht eine schöne Vorstellung, wenn der Tod kein dunkler, klammer Ort wäre, sondern eine farbenfrohe Welt, in der gelacht wird, Musik gespielt und getanzt? Die Welt der Toten, die Coco - Lebendiger als das Leben! vorstellt, ist optisch atemberaubend und so fröhlich, rhythmisch und einladend, dass das an sich ernste Thema auch den ganz jungen Zusehern nie zu düster geraten wird. Tritt Miguel in diese Welt ein, zeichnet sich schon mit Ideen wie der Blumenbrücke oder dem Skelett-Scanner, der überprüft, ob die Angehörigen am Tag der Toten ein Bild des bzw. der Verstorbenen aufgestellt haben, ein Lächeln ins Gesicht, das bis zum Ende anhalten wird.
Allerdings gibt es trotz einiger toller Momente weit weniger zum laut loslachen, als es bei anderen Pixar-Filmen der Fall ist. Die Story besitzt auch keine verschiedenen Ebenen für Kinder oder Erwachsene im Publikum, sondern richtet sich primär an eine junge Zuschauerschaft.

In Alles steht Kopf [2015] deckten die Filmemacher nicht nur auf, wie unsere Persönlichkeit funktioniert, sondern schickten die Zuseher auf eine emotionale Reise, die auch für sie die ganze Bandbreite der Emotionen abdeckte. Coco hingegen erzeugt ein rundum gutes Gefühl – das sich über die gesamte Laufzeit allerdings nicht ändert. Es fehlt die Vielschichtigkeit, die man vielleicht nicht unmittelbar vermissen mag, dafür sind die Musikeinlagen und die Optik zu beeindruckend, die sich jedoch im Nachhinein bemerkbar macht.
Thematisch ähnlich gelagert, dafür allerdings schwerer zugänglich, ist der Animationsfilm Manolo und das Buch des Lebens [2014], der sowohl beim eigenwilligen Design als auch der Geschichte mehr Risiken eingeht, als Lee Unkrich und sein Team hier.


Fazit:
Die große Frage, wie man den persönlichen Traum mit der Familientradition in Einklang bringt, wird wenig überraschend aufgelöst. Auch die Wendungen der Story werden die meisten bereits erahnen können. Das Thema Familie wird dabei so dick aufgetragen, dass die Kritik an den Medien-Idolen beinahe untergeht. Die Aussagen sprechen aus dem Leben, ebenso wie die Figuren liebenswert gelungen sind. Das Aussehen ist schlicht fantastisch mit so detaillierten Eindrücken in der wirklichen Welt und einem so farbenfrohen Bilderreigen im Reich der Toten. Vielleicht gelingt es den Machern damit, den jungen Zusehern die Angst vor diesem Thema zu nehmen, während die Erwachsenen insbesondere bei dem Aspekt des sich Erinnerns an die Vorfahren nachdenklich gestimmt werden. Das Animationsabenteuer besitzt einen schönen, eingängigen Rhythmus, der auch der tollen Musik zuzuschreiben ist. Und selbst wenn Regisseur Lee Unkrich keine Wagnisse eingeht, er macht hier nichts falsch. Coco - Lebendiger als das Leben! ist ein warmherziger Film für die ganze Familie, der sich mit seiner lebensbejahenden Botschaft gerade in der kalten Jahreszeit wie eine kuschelige Decke anfühlt.
Schön!