Auslöschung [2018]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 18. März 2018
Genre: Science Fiction / Drama / Horror

Originaltitel: Annihilation
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Alex Garland
Musik: Geoff Barrow, Ben Salisbury
Darsteller: Natalie Portman, Oscar Isaac, Jennifer Jason Leigh, Tessa Thompson, Gina Rodriguez, Tuva Novotny, Benedict Wong


Kurzinhalt:

Die Biologin und frühere Soldatin Lena (Natalie Portman) ist in Trauer. Ihr Ehemann Kane (Oscar Isaac), der immer noch Soldat ist, gilt seit über einem Jahr als verschollen und wurde vermutlich bei seinem letzten Auftrag getötet.
Als er dann allerdings völlig unangekündigt eines Abends in ihrem gemeinsamen Zuhause auftaucht, bemerkt Lena schnell, dass Kane verwirrt und offenbar schwer erkrankt ist. Auf dem Weg ins Krankenhaus werden sie von Sicherheitsbeamten der Regierung abgefangen und in eine geheime Militärbasis gebracht.
Dort erfährt Lena von der Psychologin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh), dass drei Jahre zuvor ein als „Schimmer“ bezeichnetes Phänomen begonnen hat, eine bestimmte Gegend einzunehmen und dieser Schimmer stetig weiterwächst. Sämtliche Versuche, den Schimmer wissenschaftlich zu erforschen, sind bisher gescheitert. Kane hatte an einer Aufklärungsmission teilgenommen, aber außer ihm ist bisher noch niemand wieder zurückgekehrt, der sich in den Schimmer hinein begeben hatte.
Um ihrem im Sterben liegenden Mann zu helfen, erklärt sich Lena bereit, unter Leitung von Dr. Ventress, zusammen mit Physikerin Josie Radek (Tessa Thompson), der Ärztin Anya Thorensen (Gina Rodriguez) und der Anthropologin Cass Sheppard (Tuvo Novotny) das Geheimnis des Schimmers zu ergründen.
Was die fünf Wissenschaftlerinnen allerdings im Innern des fremdartigen und gefährlichen Areals entdecken und erleben, rüttelt an den Säulen ihres Weltbildes und konfrontiert sie auch mit ihren ganz persönlichen Dämonen.


Kritik:
Autor und Regisseur Alex Garland machte sich mehrere Jahre einen Namen als Drehbuchautor zum Beispiel der Danny-Boyle-Filme 28 Days Later… [2002] und Sunshine [2007] oder der gelungen Comic-Neuverfilmung Dredd [2012], ehe er 2015 mit dem beeindruckenden Science-Fiction-Drama Ex Machina auch als Regisseur einen respektablen kommerziellen und künstlerischen Erfolg verbuchen konnte. Viele stellten sich deshalb die spannende Frage, mit welchem Projekt Garland seinem Vorgänger folgen würde. Nachdem bekannt wurde, dass er an der Umsetzung des ersten Teils der „Southern Reach“-Roman-Reihe von Schriftsteller Jeff VanderMeer arbeitete, wuchs das Interesse dementsprechend.
Umso größer war das Erstaunen und in gewissem Sinne die Enttäuschung nach der Verkündung, dass Auslöschung in den meisten Ländern, einschließlich Deutschland, keine Kinoaufführung bekommen würde, sondern stattdessen beim Internet-Streaming-Dienst Netflix verfügbar sein wird – meist ein Zeichen dafür dass die Produzenten oder Studio und Verleih kein Vertrauen in den jeweiligen Film beziehungsweise dessen Qualität haben, wie zuletzt beispielsweise beim dritten Teil der Cloverfield-Anthologie The Cloverfield Paradox [2018] geschehen, der weder bei Publikum, noch Kritikern Begeisterungsstürme verursachte.

Obgleich Auslöschung nicht ganz das Potential seiner faszinierenden Geschichte und talentierten Darsteller, angeführt von einer famosen Natalie Portman (Léon – Der Profi [1994], Black Swan [2010]), ausschöpft, lässt sich glücklicherweise festhalten, dass Garland erneut ein ungewöhnlicher und an den richtigen Stellen überraschender Film gelungen ist, durch Struktur und Szenenaufbau allerdings eine gewisse Erwartungshaltung provoziert, die dann indes nicht immer erfüllt wird und deshalb nicht wenige Zuschauer enttäuschen könnte.
Einige Momente scheinen klassischen Science-Fiction- oder Horror-Werken entlehnt, in denen das Personal stetig dezimiert wird, doch Garland hat bis auf eine dementsprechend deplatziert wirkende Ausnahme kein Interesse an blutigen Tötungsszenen. Ihm geht es vielmehr um die Dynamik innerhalb der Gruppe in einer solchen Ausnahmesituation und die intellektuelle und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem mysteriösen Schimmer selbst sowie den möglichen Konsequenzen nicht nur auf die Natur, sondern auch die Menschen und ihre Persönlichkeiten. Das reduzierte Erzähltempo und lange Einstellungen ohne Dialoge machen Auslöschung dadurch zu einem nach innen gerichteten Drama und keinem Thriller, wie man ihn vielleicht erwarten könnte. An diesem Ansatz gäbe es prinzipiell nichts auszusetzen, leider bleiben bis auf Lena und Kane die anderen Figuren ziemlich blass und ihr Verhalten entspricht den Stereotypen der gängigen Genrewerke, zu denen Auslöschung sich eigentlich nicht gesellen möchte.
Punkten kann der Film hingegen im Hinblick auf die technische Umsetzung. Optik und Spezialeffekte sind innovativ und auf sehr hohem Niveau. Hier wird Regisseur Garland den Ansprüchen gerecht, die er mit Ex Machina trotz dort verhältnismäßig geringem Budget geweckt hat. Die stimmungsvolle, aber recht minimalistische Musik verleiht Auslöschung eine geheimnisvolle und bedrückende Atmosphäre. Dennoch überzeugt der Film mehr durch die zugrundeliegenden Ideen, als durch spannende Sequenzen.

Unterm Strich liefert Garland mit Auslöschung erneut einen durchdachten Science-Fiction-Film ab, bei dem man aber aufgrund dessen hochinteressanter Ausgangslage nicht das Gefühl abstreifen kann, dass mit weniger gemächlichem Erzählfluss und vielschichtigeren Nebenfiguren ein mitreißenderes Werk möglich gewesen wäre.


Fazit:
Mit Ex Machina hat Alex Garland die Messlatte für seine zukünftigen Filme sehr hoch vorgelegt, so dass es nicht verwundert, wenn mancher Zuschauer nach Ansicht von Auslöschung eine gewisse Ernüchterung nicht verleugnen kann.
Dabei sollte man indes nicht übersehen, dass es sich Auslöschung im Vergleich zu jüngeren Genrewerken wie Alien Covenant [2017], Life [2017] oder Transformers: The Last Knight [2017] nicht leicht macht, und ein Charakterdrama mit komplexen wissenschaftlichen Überlegungen verknüpft. Das mag nicht so actionreich wie sich kloppende Riesenroboter rüberkommen und weniger kurzweiligen Popcorn-Thrill versprühen. Stattdessen wird der Zuschauer aufgefordert, aktiv mitzudenken, und möglicherweise auch lange nach dem Anschauen noch über die gezeigten Themen zu diskutieren. Und genau das ist es, was leider in den meisten aktuellen Science-Fiction-Filmen sonst zu kurz kommt, und deshalb Auslöschung empfehlenswert macht.