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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 19. September 2025
Originaltitel: Franz
Laufzeit: 127 min.
Produktionsland: Tschechische Republik / Polen / Deutschland / Frankreich / Türkei
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Agnieszka Holland
Musik: Tomasz Naumiuk
Besetzung: IIdan Weiss, Peter Kurth, Jenovéfa Boková, Ivan Trojan, Sandra Korzeniak, Katharina Stark, Sebastian Schwarz, Aaron Friesz, Carol Schuler, Gesa Schermuly, Stanislav Majer, Josef Trojan, Jan Budař, Emma Smetana, Daniel Dongres, Sandra Nedeleff, Andrew Van Wilpe
Kurzinhalt:
1883 in Prag geboren, ist die Beziehung zwischen Franz Kafka (Idan Weiss) und seinem Vater Hermann (Peter Kurth) stets angespannt. Als Angestellter der Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt ist Franz gut situiert, doch dass er sich nicht im Betrieb seiner Eltern einbringt, stört Hermann ebenso, wie dass sein Sohn seine freie Zeit mit Schreiben verbringt. Es ist eine Leidenschaft, bei der Franz seine Fantasie in Werken zu Papier bringt, die auch den befreundeten Schriftsteller Max Brod (Sebastian Schwarz) faszinieren. Doch kurz nachdem Franz’ erste Veröffentlichung erfolgt ist, folgt eine Schaffenskrise, aus der ihn seine Verlobung mit Felice Bauer (Carol Schuler) zumindest kurzzeitig herausführen kann. Eine Anerkennung seiner Werke erfährt Franz durch seinen Vater nicht. Auch dies verarbeitet er in seinen Schriften. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, scheint seine Rekrutierung für Franz eine Möglichkeit, seinem Leiden im Leben durch ein persönliches Opfer ein Ende zu bereiten …
Kritik:
Franz Kafka war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts und das, obwohl er seine Werke so an sich gar nicht veröffentlicht sehen wollte. Filmemacherin Agnieszka Holland nähert sich dem Künstler, dessen Texte in Millionen von Wörtern interpretiert und analysiert wurden, in Franz K. auf die womöglich einzige Art und Weise, wie sie der Persönlichkeit und dem Stil des Autoren gerecht werden kann. Doch das bedeutet, dass die Biografie gleichermaßen schwer zugänglich ist, wie Kafkas Werke selbst.
Dabei folgt die Regisseurin keiner stringenten Erzählung oder schildert den Werdegang des berühmten Autoren in chronologischer Reihenfolge. Mitunter ist es sogar schwer zu erkennen, ob das Geschehen trotz des gezeigten, erwachsenen Franz, in dessen Kindheit oder seinem Erwachsenenleben stattfindet. Sein ganzes Leben ist geprägt von seinem spannungsreichen Verhältnis zu seinem Vater Hermann. Als eines von sechs Kindern ist auch Franz in das Geschäft des Vaters, eine Galanteriehandlung, eingebunden. Seine freie Zeit verbringt er mit dem Schreiben und seine Texte, die er unter anderem dem befreundeten Schriftsteller Max Brod vorstellt, erregen auch bei Lesungen die Aufmerksamkeit der Zuhörerinnen und Zuhörer. Mitunter unergründlich, geradezu absurd, aber auch bedrohlich, verarbeitet Franz, der bei der Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen in Prag arbeitet, seine Erfahrungen. Sei es mit der Bürokratie oder seinem teils cholerischen Vater, der die literarischen Werke seines Sohnes nie würdigt und dem die Schreiberei ein Dorn im Auge ist. Nachdem ihm dessen Novelle Das Urteil [1912] geradezu mühelos von der Hand geht, stockt seine Schaffenskraft, bis er auf Felice trifft und sich mit ihr verlobt.
Es ist eine Beziehung, die Franz K. kaum ergründet, ebenso wie seine spätere zu Milena Jesenská. Stattdessen werden Zeitzeugen wie Max Brod oder auch Hermann Kafka in kurzen Einschüben gezeigt, wie sie sich direkt an die Kamera wenden, als würden sie interviewt, um einen Einblick in Franz Kafkas Gedankenwelt oder wenigstens dahingehend zu geben, wie er von seiner Umwelt gesehen wurde. Unnahbar, wird er als jemand geschildert, der in seiner Wahrnehmung der Welt beinahe gefangen war. Die Bedeutung der Worte ist für ihn so wichtig, dass er sie beständig abwägt, Geräusche lenken ihn unentwegt ab und er verliert sich auch in alltäglichen Situationen in seiner Gedankenwelt. Gleichzeitig erweck Regisseurin Holland Werke des Autors zum Leben und zeigt dabei deren ebenso unverkennbaren wie unnahbaren Stil auf. Beinahe, um all dies einzuordnen, springt sie in die heutige Zeit und schildert, wie die Menschen auch mehr als 100 Jahre nach dem Tod Kafkas versuchen, dem Wesen des Literaten habhaft zu werden. Nicht nur die dabei entstehenden Anachronismen könnte man beinahe als „kafkaesk“ bezeichnen.
Doch so interessant dieser Stil in den ersten Minuten ist, man muss erkennen, dass es dadurch schwerfällt, sich auf eine tatsächliche Erzählung einzulassen, sofern die Filmemacherin eine solche überhaupt beabsichtigt hat. Die zeitlichen Sprünge werden nicht merklich eingeordnet und zeigt die Regisseurin am Ende Max Brods Flucht vor den Nationalsozialisten, 15 Jahre, nachdem Franz Kafka bereits verstorben ist, muss man sich selbst erschließen, dass Max in seinem Koffer nicht seine eigenen Werke, sondern die seines Freundes aus der Stadt zu schmuggeln versucht – ebenso, wie er es sich hier anders überlegt und sein literarisches Vermächtnis nicht vernichtet, obwohl Franz es ihm aufgetragen hat. Franz K. ordnet all dies nicht ein und drängt sich damit gleichermaßen für eine Interpretation auf, wie Kafkas Werke selbst. Es ist ein künstlerischer Anspruch, der sich auch in vielen Perspektiven wiederfindet, die aber doch einen durchgehenden Stil vermissen lassen. Mitunter scheint es beinahe, als wollte Holland alledem einen satirischen Charakter verleihen.
Die Darbietungen sind dabei so sehenswert wie die Ausstattung gelungen ist. Nur wird all das einem kleinen Publikum vorbehalten bleiben, das bereit ist, sich auf die Herangehensweise der Biografie einzulassen. Ohne Vorkenntnisse im Hinblick auf die Titelfigur, oder wenigstens die Bereitschaft, sich im Nachgang mit dieser zu beschäftigen, bleibt Franz K. damit hinter seiner Wirkung zurück, den prägenden Autor vielen Zuseherinnen und Zusehern näher zu bringen. Das war womöglich auch gar nicht die Absicht, doch in Anbetracht des Einflusses, den er er weiterhin hat, hätte er es durchaus verdient.
Fazit:
Mit der Visualisierung von Franz’ Erzählung seiner Geschichte, den vielen zeitlichen Sprüngen bis hin zu solchen außerhalb der tatsächlichen Nacherzählung in die heutige Zeit, oder fiktiven Kurzinterviews, erscheint die Biografie in ihrer Komposition stellenweise nicht nur experimentell, sondern geradezu surreal. Dabei gelingt es ihr durchaus, ein Gefühl für die Persönlichkeit des Autors zu vermitteln, von dem man beinahe den Eindruck erhält, als würden seine mitunter unwirklich erscheinenden Werke einen Blick in seine Seele erlauben. Doch sorgen all diese stilistischen Entscheidungen auch dafür, dass keine greifbare Dramaturgie aufkommt, oder überhaupt ein Erzählfluss. Gut gespielt und in Szene gesetzt, ist Franz K. spürbar auf einen eigenen künstlerischen Anspruch ausgelegt. Die Art der Umsetzung vermittelt denjenigen, die bereits an dem Künstler und seinen Werken interessiert sind, durchaus passend, wodurch sich sein Schaffen und seine Persönlichkeit auszeichneten. Vielleicht ist dies auch die einzige Möglichkeit, dem tatsächlich gerecht zu werden. Ob Filmemacherin Agnieszka Holland dadurch aber auch ein neues Publikum hierfür wird interessieren können, darf zumindest bezweifelt werden.

