Eddington [2025]

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Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. Oktober 2025
Genre: Drama / Krimi / Satire / Western

Originaltitel: Eddington
Laufzeit: 148 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien / Finnland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Ari Aster
Musik: Bobby Krlic, Daniel Pemberton
Besetzung: Joaquin Phoenix, Pedro Pascal, Emma Stone, Austin Butler, Luke Grimes, Deirdre O’Connell, Micheal Ward, Amélie Hoeferle, Clifton Collins Jr., William Belleau, Matt Gomez Hidaka, Cameron Mann, Rachel de la Torre, Amadeo Arzola, Landall Goolsby


Kurzinhalt:

Ende Mai 2020 befindet sich auch die Kleinstadt Eddington in New Mexico im Corona-Lockdown. Es gelten staatlich verhängte Abstandsregelungen und Maskenpflichten, gegen die sich zunehmend Widerstand regt. Während Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal) für eine Wiederwahl kandidiert und versucht, ein Datenzentrum an dem wirtschaftlich leidenden Standort zu etablieren, gibt es auch hiergegen Kritik. Sheriff Joe Cross (Joaquin Phoenix), dessen Frau Louise (Emma Stone) vor vielen Jahren mit Ted liiert war, wird sowohl von ihr wie auch von seiner Schwiegermutter Dawn (Deirdre O’Connell) mit Verschwörungstheorien aus dem Internet über die Pandemie und den Zustand des Landes im Allgemeinen überschüttet. Als sich Cross entschließt, selbst als Bürgermeister zu kandidieren, sorgt das auch innerhalb seiner Familie für mehr Unmut als ohnehin schon. Hinzu kommen Proteste, die sich in dem kleinen Ort manifestieren und die aufgeheizte Stimmung zum Kochen bringen …


Kritik:
Die ersten eineinhalb Stunden von Ari Asters satirischem Crime-Thriller Eddington kann man sich gut vorstellen, worauf der Filmemacher inhaltlich hinaus möchte. Im letzten Drittel jedoch nimmt die Geschichte eine Abzweigung, die so unvermittelt kommt, dass man sich während des brutalen Finales im falschen Film wähnt. Da hilft auch nicht, dass der Epilog wieder zu den vorigen Themen zurückkehrt. Im besten Fall ist dies nur schwer zugänglich, aber selbst das sehr spezielle Publikum, das sich auf die ruhige Erzählung einlässt, muss sich ungeachtet der starken Darbietungen auf Einiges einstellen.

Dabei klingt die Geschichte geradezu stringent. Ende Mai 2020 befindet sich die Kleinstadt Eddington im Lockdown auf Grund der Corona-Pandemie. Während Bürgermeister Ted Garcia versucht, dem Ort in New Mexico, dessen Bevölkerung von den strikten Maßnahmen auch wirtschaftlich stark getroffen ist, einen Lichtblick zu verleihen, indem ein Datenzentrum für Künstliche Intelligenz angesiedelt werden soll, regt sich gegen die Pläne um saubere Energie und zukunftsweisende Jobs Widerstand. Man fürchtet, die bisherigen Jobs würden damit wegfallen, vom Storm- und Wasserverbrauch des Datenzentrums ganz zu schweigen. Widerstand gibt es ebenfalls gegen die Regelungen zur Eindämmung der Pandemie. Auch Sheriff Joe Cross, selbst Asthmatiker, weigert sich, eine Maske zu tragen oder die Abstandsregelungen einzuhalten. Da es ohnehin einen unausgesprochenen Streit zwischen Joe und Ted gibt, der Joes psychisch labile Frau Louise betrifft, und sich Joe immer stärker gegängelt fühlt, angeheizt von den Verschwörungstheorien, mit denen sich seine Frau und seine im Haus derzeit lebende Schwiegermutter im Lockdown tagtäglich zudröhnen, entschließt Joe, selbst als Bürgermeister zu kandidieren. Zur gleichen Zeit brechen in amerikanischen Städten Massenproteste auf Grund der Ermordung von George Floyd im Rahmen einer Polizeikontrolle aus. Selbst in Eddington entstehen solche Proteste, bei denen sich Teilnehmende selbst ins Rampenlicht rücken. Die Stimmung heizt sich dabei immer weiter auf, bis eine Grenze überschritten wird, von der es kein Zurück mehr gibt und die Situation eskaliert.

Dies geht soweit, dass Eddington im letzten Akt beinahe einem Kriegsgebiet gleicht, aber aus anderen Gründen, als man erwarten würde. Auf dem Weg dorthin zeigt Filmemacher Aster eine Gesellschaft, die sich zu Beginn nur über Kleinigkeiten uneins ist, doch diese Diskrepanzen werden, auch durch die beständige Zurschaustellung und Demütigung über die Sozialen Medien, in erschreckend raschem Tempo größer. Manche wissen dabei die Möglichkeiten der unentwegten Empörungsmaschinerie für sich zu nutzen, während es nur ein kleiner Sprung ist von einem Hörensagen hin zu einer offenen Verleumdung, um die eigene Reichweite zu erhöhen. Gleichzeitig wähnt sich eine jede und ein jeder als Opfer, nutzt das Leid anderer für den persönlichen Vorteil und anstatt einander zuzuhören, schreien sich die Menschen gegenseitig an, mit Verschwörungstheorien als Argumenten und Scheinheiligkeiten als Entschuldigungen. Kurzum, Eddington hält unserer Gesellschaft den Spiegel vor und zeigt, wie dies in einer verheerenden Gewaltspirale endet, aus der Gewinner hervorgehen, die die für sie günstigsten Positionen der Anderen übernehmen.

Bis das Geschehen zunehmend brutal wird, erscheint die satirische Erzählung beinahe humorvoll mit Joaquin Phoenix in der Rolle eines Sheriffs, dem auch im Privaten nie die Achtung oder Zuneigung widerfährt, die er sich ersehnt und der sich durch seine Entscheidungen in eine Situation manövriert, bei der er am Ende nicht mehr als ein katatonischer Zuseher seiner eigenen Kreation ist. Es spricht Bände, wenn er lange Zeit behauptet, man müsse keine Maske tragen, da es im Ort kein Corona gebe, er selbst dann ohne Schutzmaske auftritt, wenn er überzeugt ist, sich angesteckt zu haben, nur um das Testergebnis nicht einmal abzurufen. Weshalb auch sollte er sich mit Wahrheiten konfrontieren, die seiner Ideologie widersprechen? Joe ist Agitator und Opfer in einem, umgeben von Menschen, die ihn entweder zu immer extremeren Taten anheizen, mit denen er seinen Wert beweisen will, oder ihm nach dem Mund reden. Sein Gegenüber ist Pedro Pascal in der Rolle des charismatischen Ted Garcia, über den man jedoch wenig erfährt. Bei Emma Stone würde man sich wünschen, sie wäre stärker in die Geschichte eingebunden, wie auch bei Austin Butler, der als Anführer einer radikalen Sekte kaum zu sehen ist. Dafür beschäftigt sich Eddington mit der jungen Generation, die sich bei gesellschaftlich wichtigen Themen einbringt und dabei so sehr auf eine Political Correctness Wert legt und ihre Rolle in alledem so sehr betont, dass sie sich nur selbst ins Rampenlicht rückt.

Als Spiegelbild für unsere Gesellschaft, die sich gefühlt in den vergangenen Jahren stärker polarisieren ließ als in den Jahrzehnten zuvor, ist das überaus gelungen und trifft den Nagel auf den Kopf. Bis die Gewalt eskaliert ist es auch oftmals amüsant, ehe einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Sei es, weil man förmlich spüren kann, wie die Situation aus dem Ruder zu laufen beginnt, oder weil man weiß, dass es nie wieder so werden wird, wie zuvor. In der endgültigen Aussage wirkt Eddington beinahe resigniert nihilistisch, was unsere Welt vielleicht durchaus passend einfängt. Der Weg dorthin nimmt jedoch einen Abzweig, der zwar so tadellos eingefangen ist, wie der Rest, dem aber doch schwer zu folgen ist. Dass es inhaltlich lohnt, beweist der Epilog, doch das macht den Rest nicht zugänglicher.


Fazit:
In so vielen Situation stehen sich die Figuren unter größter Anspannung gegenüber, dass man sich wie in einem Westernduell fühlen mag. Das unterschwellige Brodeln in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Zusammenkünften führt zu einem Strudel der Empörung über sämtliche Themen, der wiederum in einer Enthemmung und Radikalisierung mündet, die nur in einer Tragödie enden kann. Die verbalen Angriffe werden stets persönlicher und sind nur darauf aus, zu verletzen. Es geht nicht um einen Austausch, sondern darum, ein Statement zu setzen. Hinzu kommt ein Misstrauen und Schuldzuweisungen sowie die Weigerung, Tatsachen anzuerkennen. Wohin sich das entwickelt, kommt nicht nur überraschend, sondern lässt einen zusehends verwundert zurück. Filmemacher Ari Aster erzählt eine Horror-Story aus dem wirklichen Leben, unserer gemeinsamen Vergangenheit und jetzigen Gesellschaft gleichermaßen. Eddington ist toll in Szene gesetzt und erstklassig gespielt. Doch selbst wenn dies zunehmend beängstigend eskaliert, was einem das geradezu exzessiv gewalttätige Finale sagen soll, das sich in eine Richtung entwickelt, die man gar nicht zuordnen kann, bleibt ein Rätsel. Dass insbesondere das letzte Drittel spürbar zu lang geraten ist, kommt noch erschwerend hinzu. So bleibt die Satire als ein einmaliges, aber seltsames filmisches Erlebnis zurück, das nur ein spezielles Publikum ansprechend wird.
 

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