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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 12. Dezember 2025
Originaltitel: The Physician II
Laufzeit: 142 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Philipp Stölzl
Musik: Ingo Ludwig Frenzel
Besetzung: Tom Payne, Emily Cox, Áine Rose Daly, Owen Teale, Emma Rigby, Malick Bauer, Jaouhar Ben Ayed, Harry Redding, Rosie Boore, Sara Kestelman, Evelyn Craven, Leonard Scheicher, Máté Haumann, Finty Williams, Francis Fulton-Smith, Anne Ratte-Polle mit Liam Cunningham und Aidan Gillen
Kurzinhalt:
Im Jahr 1052 beschließt Rob Cole (Tom Payne), nachdem er in Isfahan in die Kunst der modernen Medizin eingeweiht wurde, nach England in seine Heimat zurückzukehren. Bei ihm sind die Hakims, Ärzte wie Abu (Malick Bauer), die ihn begleiten, um in England die auf Aberglauben beruhende Heilkunde durch wissenschaftliche Lehren abzulösen. Doch die königlichen Hofärzte lehnen ab und untersagen Rob und den anderen, in der Stadt zu praktizieren, da die Ärztegilde ihre Profite in Gefahr sieht. Dabei ist König Canute (Liam Cunningham) seit geraumer Zeit so schwer erkrankt, dass Königin Mercia (Emily Cox) die Regentschaft gewissermaßen übernommen hat. Als Rob geladen wird, den König zu untersuchen, gelingt es ihm, den Monarchen zu heilen und so steigt Cole selbst zum Leibarzt des Königs auf. Das missfällt nicht nur der Königin, sondern auch ihrem Leibarzt Hunne (Aidan Gillen). Umso mehr, da Rob auch die angeblich von Dämonen besessene Prinzessin Ilene (Áine Rose Daly) heilen soll, Tochter aus erster Ehe des Königs und Thronfolgerin, sollte die hochschwangere Mercia ihm keinen Sohn gebären. Cole, dessen einziger Wunsch es ist, Menschen zu heilen, findet sich ihm Zentrum einer Intrige wieder, die das ganze Land beeinflussen könnte …
Kritik:
Mit Der Medicus II bringt Filmemacher Philipp Stölzl mehr als 10 Jahre nach dem ersten Teil die Fortsetzung seines überaus erfolgreichen Historienepos auf die große Leinwand und setzt dabei inhaltlich unmittelbar im Anschluss an. Doch so ambitioniert die Erzählung sein mag und so groß der dahinterstehende Aufwand, ihrem eigenen Anspruch wird die Produktion nicht gerecht. Das mag sich ändern, falls auch hier eine erweiterte Fassung erscheinen sollte. Die vorliegende lässt zumindest nie die Größe oder Wucht erkennen, die angedeutet wird.
Im Jahr 1052 siedelt der Mediziner Rob Cole mit seiner hochschwangeren Frau und seinen gelehrten Ärzten aus Persien nach England über. Dort, in seiner alten Heimat, glaubt Rob, würde die fortschrittliche Medizin nicht nur dringend gebraucht, sondern auch Anerkennung finden. Doch zusammen mit seinen Begleitern schlägt ihm im Land eine Ablehnung entgegen, die darin gipfelt, dass sie auf Grund ihrer Religion innerhalb der Stadtmauern nicht praktizieren dürfen. Die Gilde der Ärzte, die mit veralteten Ritualen und Aberglauben die Menschen oftmals krank hält, anstatt sie zu heilen, lehnt die wissenschaftlichen Methoden ab, die Rob von Ibn Sina gelernt hat, der ihm sein Lebenswerk vermachte, einen Kanon mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Doch durch seine Begabung entdeckt Cole, dass der königliche Leibarzt den König nicht richtig behandelte, der wiederum seit geraumer Zeit die Geschäfte an die Königin abgegeben hat. Die fürchtet deshalb nicht nur um ihren Einfluss, sondern auch das Erbe ihres ungeborenen Kindes, immerhin soll Cole auch die scheinbar von Dämonen besessene Thronfolgerin, Tochter des Königs aus erster Ehe, heilen. So wird Rob in Intrigen verstrickt, die nicht nur sein Leben in Gefahr bringen, sondern die Geschicke des ganzen Landes beeinflussen werden.
Obwohl Der Medicus II weiter von der Medizinerdynastie Cole handelt, ist dies keine Verfilmung des zweiten Romans aus Noah Gordons Romantrilogie, deren Auftakt in Der Medicus [2013] bereits stark abgewandelt worden war. Vielmehr präsentieren die Verantwortlichen eine völlig eigenständige Geschichte, die aber auf den Ereignissen des ersten Films zumindest im weiteren Sinne aufbaut. Dabei wollen sie die Entwicklung der Medizin im 11. Jahrhundert ebenso thematisieren wie die Wissenschaftsskepsis, selbst wenn die Wissenschaft Leben rettet, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit sowie politische Intrigen um Macht, Mord und Verrat. Hierfür stellt das Drehbuch mehr als ein Dutzend wiederkehrende Figuren vor, die über einen nicht näher benannten Zeitraum, der bis zum Epilog aber wenigstens mehrere Monate umfassen muss, begleitet werden. Dass nur wenige hiervon näher beleuchtet werden, mag der Laufzeit geschuldet sein, wie wenige es aber sind, ist doch überraschend.
Dafür wandelt sich der Fokus der beinahe zweieinhalb Stunden dauernden Erzählung, bei der zwar Rob im Mittelpunkt steht, zuerst von König Canute hin zu Königin Mercia, die selbst Pläne schmiedet, bis Canutes Tochter Ilene wichtig wird. Der von Owen Teale gut gespielte Lord Godwin bleibt ebenso blaß, wie sein Nachfolger, die Leibwache der Königin, der nicht einmal einen Namen erhält. Und auch Gaststar Aidan Gillen hat kaum etwas zu tun. Was ihn als Leibarzt der Königin antreibt oder was Robs Freund Abu auszeichnet, bleibt ein Rätsel. Sind sind nur ein paar von mehreren Figuren, die zwar einige Dialogzeilen erhalten, aber kaum in Erscheinung treten dürfen. Es ist, als würde Regisseur Philipp Stölzl im Grunde eine viel weitläufigere Geschichte erzählen wollen, die hier aber vor allem ab der Hälfte stark zusammengekürzt ist.
Das würde erklären, weshalb ausgerechnet die wichtigen Momente in Der Medicus II kaum gezeigt werden. Fällt Rob der Intrige schließlich zum Opfer, die Mercia eingefädelt hat, ist sein Moment der Erkenntnis gar nicht zu sehen, sondern geschieht abseits der Kamera. Auch gibt es bei den Schlüsselaugenblicken keinen langsamen Aufbau auf mehreren Ebenen, sondern die jeweiligen Szenen sind in wenigen Minuten schlichtweg vorbei. Kommt es schließlich zum offenen Konflikt zwischen der Königin und den Keltischen Siedlungen, sieht man zwar in den oftmals leicht als künstlich zu erkennenden Landschaftsaufnahmen Häuser brennen, die einzig wirkliche Schlacht besitzt aber keine sich steigernde Dramatik. Es gibt keinen Moment, in dem alles verloren scheint, keine Dramaturgie innerhalb der Sequenz, sondern eine Aneinanderreihung von Szenen, in denen die unterschiedlichen Parteien aufeinander einschlagen, bis es dann schon wieder vorüber ist.
Dabei ist die Ausstattung sichtbar aufwändig, Kostüme und Bauten sind gelungen, obwohl das kaum die Illusion des England im 11. Jahrhundert hervorruft. Das mag aber auch daran liegen, dass sich die Figuren in einer Sprache unterhalten, die zu jener Zeit nicht passen mag. Seien es Kommentare wie „willst Du dich vom Acker machen?“ oder „wir haben schon viel schlimmer in der Patsche gesessen“. Abgesehen davon, dass überraschend oft geflucht wird. Das betrifft nicht alle Figuren, doch gerade zu Beginn klingt die Synchronisation bei den Nebencharakteren derart unpassend, dass es einen merklich aus dem Moment reißt und den an sich guten Darbietungen spürbar schadet. In gewissen Belangen scheinen die Verantwortlichen Parallelen zu Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer [2011-2019] suchen zu wollen. Seien es die politischen Intrigen, gleich mehrere bekannte Darsteller aus der einflussreichen Serie, oder einer jungen Frau, die lange Zeit ihr Geschlecht verbirgt. Aber nichts bei Der Medicus II erweckt den Eindruck der Weitläufigkeit oder des Facettenreichtums jener Vorlage. Dafür reihen sich zu viele Klischees beim Ablauf der eigentlichen Geschichte aneinander und die Figuren bleiben allesamt zu oberflächlich. Es mag sein, dass eine längere Filmfassung manche dieser Lücken zu füllen vermag, doch das ändert kaum etwas daran, dass die Story selbst dem Anspruch der Beteiligten kaum gerecht wird. Schade.
Fazit:
Rob Coles Erkenntnis, dass eine Heilung des Körpers auch voraussetzt, dass der Geist geheilt wird, ist ein holistischer Ansatz, der hier aber ebenso zurücktritt, wie seine Gabe, bei einer Berührung erkennen zu können, ob der Tod der Menschen, die er berührt, unmittelbar bevorsteht, wenn sie nicht behandelt werden. Das Drehbuch greift diese übernatürliche Fähigkeit kaum auf. Auch wenn Filmemacher Philipp Stölzl den Stand der Medizin in der vermeintlich so fortschrittlichen Zivilisation jener Zeit vorstellt, er tut dies geballt, wie auch seine Aussagen zum Thema Fremdenhass alle auf einmal präsentiert werden. Im Kern handelt die Erzählung von den politischen Intrigen, die durchaus zu unterhalten vermögen, aber allesamt altbekannt klingen. Die vielen Themen wie Macht, Religion, Wissenschaft und Aberglaube werden darin verwoben, doch wichtige Entwicklungen der Geschichte finden gar nicht vor der Kamera statt. Wird Rob als Sündenbock gebrandmarkt, ist der Moment oder was ihm vorgeworfen wird, kein Teil der Geschichte. Dazu kommen Dialoge, die zu oft zu modern klingen, um beinahe 1.000 Jahre alt zu sein und große Wendungen, die ohne eine packende Dramaturgie zu schnell umgesetzt sind, so dass man meinen könnte, es würden Passagen fehlen. Der Medicus II ist gut ausgestattet und sichtbar aufwändig umgesetzt, aber nicht nur bei den wenigen Kampfszenen, sondern auch bei den großen Staatsakten, bei denen die Optik am Boden verhaftet bleibt, hat man den Eindruck, dass die Verantwortlichen nie die erzählerische Größe erreichen, die sie offenbar anstreben. Das spiegelt sich in den vielen aber kaum geforderten Figuren nur wider. Hier wollte man spürbar mehr und in einem anderen Format wäre das vielleicht auch möglich gewesen.

