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    Kritik von Jens Adrian  |  
    Hinzugefügt am 23. Oktober 2025
    Originaltitel: L’homme qui rétrécit
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: Frankreich / Belgien
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Jan Kounen
Musik: Alexandre Desplat
Besetzung: Jean Dujardin, Marie-Josée Croze, Daphné Richard, Serge Swysen, Salim Talbi, Stéphanie Van Vyve
Kurzinhalt:
Familienvater Paul (Jean Dujardin) hat alles, was man sich erhoffen kann. Mit seiner Frau Élise (Marie-Josée Croze) ist er glücklich verheiratet und auch zu seiner jungen Tochter Mia (Daphné Richard) hat er ein gutes Verhältnis. Eines Tages bemerkt er, dass ihm seine Kleidung zu groß geworden ist und sein Arzt stellt fest, dass er an Körpergröße und Gewicht verloren hat. Ein paar Wochen später ist Paul erneut kleiner geworden. Für die Ärztinnen und Ärzte steht fest, dass Paul aus unerfindlichen Gründen schrumpft. Als er, noch kleiner geworden, vor der Katze fliehen muss, verschlägt es Paul in den Keller, wo er Élise und Mia nicht auf sich aufmerksam machen kann. Eingesperrt in einem Raum, der für ihn immer größer wird und unüberwindbare Hindernisse bereithält, sieht er sich nicht nur einer Spinne gegenüber, die für ihn zu einer stets gefährlicheren Bedrohung wird. Doch Paul beweist Einfallsreichtum und entschließt sich, nicht kampflos unterzugehen. Hat er zuvor, als er weitere Untersuchungen abgelehnt hatte, immer wieder betont, er wäre noch am Leben, muss er sich aber nun, auf sich gestellt, die existenzielle Frage stellen, ob am Leben zu sein gleichbedeutend damit ist, zu leben …
Kritik:
Jan Kounens Interpretation von Richard Mathesons Roman Die unglaubliche Geschichte des Mister C. [1956] bleibt der ursprünglichen Verfilmung von Jack Arnold aus dem Jahr 1957 derart treu, dass man sich beinahe fragen möchte, was sie der zeitlosen Story hinzufügen möchte. Die Bedeutung, die Der Mann, der immer kleiner wurde – Die unglaubliche Geschichte des Mr. C hinter der mysteriösen Verkleinerung andeutet, mag nur minimal anders sein, gelungen ist sie ebenso, wie die Präsentation nicht nur für Fans von Science Fiction.
Paul, der die Geschehnisse mit einem Kommentar aus dem Off begleitet, hat an sich alles, was man sich vorstellen kann. Mit seiner Frau Élise und seiner Tochter Mia wohnt er in einem Haus am Strand, das er selbst gebaut hat. Er ist erfolgreich in seinem Job und könnte sorgenfrei leben. Aber wie er erzählt, sehnt sich der Mensch immer nach Mehr, selbst wenn man alles hat, um glücklich zu sein. In der eigenen Vorstellung malt man sich das Beste und das Schlimmste aus, nur um festzustellen, dass das Leben sich immer verändert und diese Änderung kaum vorhersehbar ist. Paul erfährt dies am eigenen Leib, nachdem er an einem Tag im Meer schwimmend ein seltsames Phänomen am Himmel beobachtet hat. Einige Tage später bemerkt er, dass seine Hemden zu groß sind. Noch ein paar Wochen später rutscht ihm der Ehering vom Finger. Bei wiederholten Untersuchungen bei verschiedenen Ärzten wird klar, dass Paul immer kleiner wird. Das Verhältnis seiner Proportionen, sein Gewicht zu seiner Größe, bleibt gleich. Er schrumpft schlicht und ergreifend, ohne dass die Ärztinnen und Ärzte wüssten, weshalb, oder was sie dagegen unternehmen könnten. Der Prozess scheint sich auch zu beschleunigen, als es Paul in Keller des Hauses verschlägt. Dort ist er auf sich gestellt und kann seine Familie nicht auf sich aufmerksam machen – aber er ist nicht allein.
Da der Titel bereits verrät, was mit Paul geschehen wird, ist es keine Überraschung, dass harmlos erscheinende Situationen für ihn zu einem Überlebenskampf werden. Sei es die Gefahr durch die Hauskatze Tofu, die zuerst ausgesperrt wird, um Pauls Sicherheit zu garantieren, aber eines Tages doch ins Haus schlüpft. Oder die Spinne im Keller, die Paul entgegen des Wunsches seiner Tochter zu Beginn nicht tötet, da Spinnen doch nützlich sind. Der Mann, der immer kleiner wurde inszeniert diese Situationen, wie man es bei dieser Art Erzählung erwarten würde, buchstäblich überlebensgroß und temporeich. Gleichzeitig wartet Kounen mit vielen Bildern und Perspektiven auf, die Pauls Stellung in seiner neuen Welt eindrucksvoll unterstreichen. Sei es, wenn er im Aquarium schwimmen gehen muss, oder mit ganzer Körperkraft ein Streichholz entzündet. Der Keller nimmt die Ausmaße eines schier kaum zu überwindenden oder erklimmenden Canyons ein, ist aber am Ende doch nicht mehr als ein riesiger Käfig, aus dem Paul nicht entkommen kann. Dass die Trickeffekte dabei stellenweise zu sehen sind, kann man dem Film kaum zum Vorwurf machen. Insbesondere, wenn Paul auf sich gestellt ist, sieht seine Welt beeindruckend aus und auch die zunehmend riesenhaften Kreaturen, denen er begegnet, sorgen für Staunen.
Gute Science Fiction-Geschichten erzählen immer mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Der Protagonist in Arnolds Genreklassiker ist als Sinnbild für den damals typischen, amerikanischen Arbeiter zu sehen, der den an ihn gestellten Ansprüchen nicht gerecht zu werden vermag. Weder in der Beziehung zu seiner Frau, noch zu seinem Umfeld. Der Mann, der immer kleiner wurde setzt der Vorlage entsprechend größer an und versucht dem Publikum die Demut zu vermitteln, die wir als Individuen in einer so großen Welt in einem schier unendlichen Universum empfinden sollten. Es ist ein Kontrast zur egozentrischen Sicht unserer Gesellschaft, in der sich eine jede und ein jeder zu profilieren und selbst darzustellen versucht. Doch am Ende deutet Regisseur Kounen an, dass Paul seine Erzählung an seine Tochter richtet. Es klingt die Reue durch, was er alles verpasst hat, ihr zu sagen. Um dem ein entsprechendes Gewicht zu verleihen, hätte das Drehbuch die Vater-Tochter-Beziehung zuvor aber auch entsprechend vorstellen sollen bzw. können. Dem ist allerdings nicht so. Auch verpasst es das Drehbuch, einen Konflikt zwischen Paul und Élise aufzubauen, obwohl die unterschiedlichen Erwartungen an das Rollenverständnis heute so aktuell sind, wie vor beinahe 70 Jahren. Die gelungene Collage, die einige Wochen überbrückt, zeigt den Alltag der Familie, die sich organisiert – und klammert dabei Paul doch bewusst aus, als wäre seine Präsenz keine Notwendigkeit dafür.
So erweckt Der Mann, der immer kleiner wurde den Eindruck, als wären die Verantwortlichen mehr um die Schauwerte ihrer Erzählung bemüht, anstatt dieser in den gesellschaftlichen Aussagen mehr Gewicht zu verleihen. Dies soll womöglich das „Finale“ des Films kompensieren, womit nicht der dritte Akt gemeint ist. In einer Art wortlosem Epilog werden hier minutenlang Bilder des Sternenhimmels gezeigt, unterlegt mit Musik. Jan Kounen mag hiermit die Größe des Kosmos verdeutlichen und dem die Winzigkeit unserer eigenen Existenz gegenüberstellen wollen. Das Ergebnis wirkt jedoch mehr um Bedeutsamkeit bemüht, als dass dies wirklich gelingen würde. Ähnlich steht es um die Musik von Oscar-Preisträger Alexandre Desplat. Anstatt Pauls zunehmende Verzweiflung oder die Gefahr, in der er schwebt, musikalisch zu unterstreichen, klingt der aufdringlich eingespielte Score mitunter beinahe amüsant, als wäre die Geschichte als Satire zu verstehen. Die Musik nimmt der Story bedauerlicherweise viel von ihrer Atmosphäre. Genrefans sollte das nicht abhalten, es hindert Kounens Interpretation jedoch, einen so bleibenden Eindruck zu hinterlassen, wie sie könnte.
Fazit:
„Im Grunde kommt unser Leben sehr gut ohne uns klar“, erzählt Paul zu Beginn. Es ist ein Satz, der unterstreicht, welche Themen Filmemacher Jan Kounen mit seiner Interpretation der Story ins Zentrum rücken möchte. Sie handelt von Kontrollverlust, wie sich das Leben ändert und nichts so sein wird, wie es früher war. Paul erkennt dies am Ende, wenn er seinen Frieden findet und seine Worte an Tochter Mia richtet. Sie hätten mehr Gewicht, hätte die Geschichte zuvor einen größeren Konflikt zwischen Paul, seiner Tochter und seiner Frau aufgebaut, so dass man sehen würde, dass er sich anfangs in einer Phase des Zweifels befindet. Inhaltlich verpasst die Science Fiction-Adaption die Chance, hier starke Figuren zu entwickeln, mit denen man auch emotional mitfiebern würde. Selbst Pauls Isolation ist kaum zu spüren und wenn Élise die Katze verdächtigt, Paul gefressen zu haben, geht der Film zu schnell über den Moment hinweg. Dafür rücken die Verantwortlichen das Spektakel des immer schneller Schrumpfenden Mannes und seines Kampfs ums Überleben ins Zentrum. Der ist toll getrickst, mit einer riesigen Spinne als Angstgegner, und tadellos umgesetzt, so dass Der Mann, der immer kleiner wurde – Die unglaubliche Geschichte des Mr. C den Pulp-Charme der vorigen Verfilmung gelungen einfängt. Nicht nur für Genrefans ist das durchaus eine Empfehlung wert.

