Bugonia [2025]

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Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Oktober 2025
Genre: Thriller

Originaltitel: Bugonia
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: Irland / Großbritannien / Kanada / Südkorea / USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Yorgos Lanthimos
Musik: Jerskin Fendrix
Besetzung: Emma Stone, Jesse Plemons, Aidan Delbis, Stavros Halkias, Alicia Silverstone, J. Carmen Galindez Barrera, Marc T. Lewis, Vanessa Eng, Cedric Dumornay, Momma Cherri, Fredricka Whitfield


Kurzinhalt:

„Wir haben jetzt die Kontrolle“, sagt Teddy (Jesse Plemons), nachdem er mit seinem Cousin Don (Aidan Delbis) die Firmenchefin Michelle Fuller (Emma Stone) gekidnappt und in den Keller seines abgelegenen Hauses verschleppt hat. Dort begrüßt er sie beim Hauptquartier des menschlichen Widerstands, denn Teddy ist der Überzeugung, dass Fuller ein Alien ist. Als Andromedanerin ist sie für Vieles verantwortlich, was sich auf der Erde zum Schlechten entwickelt. Es ist eine geheime Invasion und die Andromedaner sind von Menschen genetisch nicht zu unterscheiden. In vier Tagen, zur Mondfinsternis, soll Fuller Teddy und Don mit an Bord des Mutterschiffes nehmen, so dass sie dort mit dem Imperator die Invasion abwenden können. Die junge Geschäftsfrau sieht sich in der schier ausweglosen Situation, dass sie Teddy nicht beweisen kann, dass sie keine Außerirdische ist. Und er ist gewillt, alles zu tun, um seine Theorie in die Tat umzusetzen  …


Kritik:
Bei seinem Remake der südkoreanischen Satire Save the Green Planet [2003] bleibt Filmemacher Yorgos Lanthimos sich treu, was nicht nur bedeutet, dass er erneut mit Hauptdarstellerin Emma Stone zusammenarbeitet. Vielmehr präsentiert er in Bugonia einmal mehr eine Geschichte, die Bezüge zur wirklichen Welt aufweist, aber gleichzeitig so surreal erzählt ist, dass es schwerfällt, sie ernst zu nehmen, oder überhaupt nur einzuschätzen. Dabei kann man die Story wie die Auflösung durchaus als Parallele auf unsere Gesellschaft sehen. Leicht fällt das aber nicht.

Im Zentrum stehen die beiden Cousins Teddy und Don, die sich auf Teddys Plan hin entscheiden, die Firmenchefin von Auxolith Biochemicals zu entführen, Michelle Fuller. Die erfolgreiche junge Frau ist in der Geschäftswelt anerkannt, lebt allein in einem Luxusanwesen mit persönlichem Fitnesstrainer. Doch für Teddy ist sie mehr als das. Er ist der Überzeugung, dass sie eine Außerirdische von Andromeda ist und nur menschlich aussieht. Sie sei Teil einer geheimen Invasion, weshalb er sie mit Don zusammen kidnappt, ihr die Haare abrasiert – so dass die übrigen Aliens sie nicht orten können – und im Keller seines Hauses gefangen hält. Die Andromedaner sind für Vieles verantwortlich, was die Erde befallen hat, bis hin zum Bienensterben. Deshalb will Teddy, dass Fuller ihr Mutterschiff anweist, ihn und Don bei der Mondfinsternis in vier Tagen mit an Bord zu holen, so dass sie einen Rückzug der Invasionsarmee erreichen können.

Wie beweist man jemandem, dass man kein Außerirdischer ist? Umso mehr, wenn die Person, der man dies beweisen soll, sich eine umfassende Theorie zurecht gelegt hat, die alle erwartbaren Argumente widerlegt? Teddy gibt nicht nur dem leicht beeinflussbaren Don gegenüber an, er habe sich informiert, nachgelesen und recherchiert und er wisse mit Sicherheit, dass Fuller ein genetisch nicht von Menschen zu unterscheidendes, außerirdisches Wesen sei. Seine Argumentation fußt auf Verschwörungstheorien und abstrusen Fantastereien. Nichts, was die gefangen genommene Frau sagt, kann ihn vom Gegenteil überzeugen. Es geht Teddy und Don nicht um Geld, Macht oder Sex, auch wollen sie sich damit nicht profilieren. Vielmehr ist Teddy davon überzeugt, er könne so die Welt retten. Doch dafür muss Fuller zuerst zugeben, dass sie ist, was er ihr vorwirft, und ein Treffen mit dem „75. Imperator des andromedanischen Königshofs“ vereinbaren. Die Ausgangslage von Bugonia klingt so absurd, dass man darüber lachen möchte, zumal die Firmen-CEO den beiden resolut mit einer inhaltlich schlüssigen Erklärung gegenübertritt, weshalb sie nicht nur keine Außerirdische, sondern warum das Unterfangen ihrer Entführer zum Scheitern verurteilt ist. Doch spätestens, wenn Teddy und Don beginnen, Fuller zu foltern, gerät die Bedrohlichkeit der Situation durchaus greifbar.

Dabei wird Bugonia in erster Linie von seinen Dialogen vorangetrieben. Sei es zu Beginn, wenn Teddy in einem langen Monolog aus dem Off seine Überzeugungen erläutert, oder wenn er und Michelle später ihre Standpunkte darlegen. Isoliert in einer Gegend, in der es kaum Arbeitsplätze oder Menschen gibt, hat sich Teddy, der als Hobby Bienen züchtet, nicht nur einen eigenen Kosmos mit seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten zurechtgelegt, er findet in Michelle Fuller auch eine Projektionsfläche für alles, was sich in seinem Leben und dem seiner Familie zum Schlechten entwickelt hat. Dass es hierbei noch einen Hintergrund gibt, deuten zwei kurze Sequenzen in schwarzweiß an und tatsächlich wird dies zu einem zentralen Bestandteil von Teddys Überzeugungen. Don ist nicht mehr als ein Mitläufer, jemand, dessen Weltbild durch Teddy gezeichnet wurde und der ihm eine Richtung weist. Spätestens mit dem Kidnapping haben sie eine Schwelle überschritten und befinden sich auf einem Pfad, der sie unumstößlich in den Abgrund führt.

Trotz einiger abstruser Momente, die durchaus für Erheiterung sorgen, und ein paar geradezu aberwitzig brutaler Augenblicke, die das geneigte Publikum ebenfalls zum Lachen bringen sollen, ist Bugonia jedoch ernst erzählt, was die Frage aufwirft, was Filmemacher Yorgos Lanthimos seinem Publikum hier mit auf den Weg geben will. Man kann die Erzählung als eine Warnung lesen, wozu Menschen fähig sind, wenn sie sich auf Grund einer persönlichen Perspektivlosigkeit durch Verschwörungstheorien haben radikalisieren lassen. Das tatsächliche Ende muss hierzu kein Widerspruch sein, könnte es doch dahin deuten, dass die Menschheit, wenn sie wie Teddy Verschwörungstheorien verfällt, keine Zukunft hat.

Interpretationsmöglichkeiten gibt es zahlreiche. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, denn wirklich packend ist Bugonia selten. Das liegt nicht an der Besetzung. Emma Stone zeigt einmal mehr eine erstklassige Darbietung und Jesse Plemons beunruhigt als Teddy durch sein ruhiges Auftreten, wenn er seine abstrusen Theorien beinahe beiläufig vorträgt, als wären sie doch offensichtlich. Dass die Erzählung kaum mitreißt, ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass viele Szenen länger erscheinen, als sie sein müssten und Fuller in zahlreichen Momenten gefasster und beherrschter auftritt, als man es von jemandem in ihrer Situation erwarten würde. Tadellos gefilmt, unterstreicht nicht zuletzt die teils laut eingespielte Musik die unnachahmliche wie unzugängliche Erzählweise von Regisseur Lanthimos. Dessen Fans kommen hier durchaus auf ihre Kosten.


Fazit:
Kürzer, wenn auch nicht kurzweiliger, als sein letztjähriger Kinds of Kindness [2024], gestaltet sich Yorgos Lanthimos’ Film weniger schwer zugänglich, was die Art der Erzählung anbelangt. Die ausufernden, zu Beginn noch diffusen Verschwörungstheorien von Teddy werden zwar konkreter, bis hin zu einem verblüffenden Detailreichtum, doch man möchte zunächst darüber lachen. So skurril manche Augenblicke gerade in der ersten Hälfte noch sind, das Lachen weicht spätestens dann, wenn offensichtlich wird, dass Teddy und Don bereit sind, alles zu tun, um ihre Theorie zu beweisen. Stark gespielt und in wohl ausgesuchten Bildern eingefangen, entwickelt der Film trotzdem nie die Bissigkeit einer Gesellschaftssatire, wenn diese Art von Verschwörungstheorien vorgeführt werden sollten. Noch ist Bugonia packend in dem Sinne, dass man sich fragt, wie sich die Gefangene aus dieser Situation wird befreien können. Dafür verhaftet die Erzählung zu sehr bei den Kidnappern und gibt deren Blick auf die Realität zu viel Raum. So zieht sich die Erzählung, die kaum vorhersehbar bleibt und mit zunehmend absurderen Momenten aufwartet. Starke Dialoge, wie das Gespräch beim Essen mit der „Königin“ sind ebenso bemerkenswert, wie die aufgeworfene Frage, wie man absurde Schlussfolgerungen als solche entlarven soll, wenn sie mit den eigenen abstrusen Theorien in Einklang sind? Dies Punkte werden Fans des Filmemachers gefallen, ein breites Publikum spricht das aber (bewusst) nicht an.
 

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