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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 18. November 2025
Originaltitel: Wicked: For Good
Laufzeit: 138 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Jon M. Chu
Musik: John Powell, Stephen Schwartz
Besetzung: Cynthia Erivo, Ariana Grande, Jonathan Bailey, Jeff Goldblum, Marissa Bode, Ethan Slater, Michelle Yeoh, Peter Dinklage (Stimme), Bowen Yang, Bronwyn James, Sharon D. Clarke (Stimme), Colman Domingo (Stimme), Keala Settle, Adam James, Alice Fearn, Kerry Ellis, Scarlett Spears
Kurzinhalt:
Einige Jahre sind vergangen, seit die Zauberin Elphaba (Cynthia Erivo) das Zauberbuch an sich genommen hat und seither versucht, die Menschen im Lande Oz davon zu überzeugen, dass der Zauberer von Oz (Jeff Goldblum) lügt. Dessen Pressereferentin Madame Akaber (Michelle Yeoh) hetzt die Bewohnerinnen und Bewohner von Oz stets weiter gegen die „Böse Hexe“ auf, wie Elphaba genannt wird. Die Zauberin Glinda die Gute (Ariana Grande), die insgeheim zu Elphaba steht, wird entsandt, die Stimmung des Volkes zu heben und auch ihre Hochzeit mit Fiyero (Jonathan Bailey) soll dazu dienen. Unterdessen verbittert Elphabas Schwester Nessarose (Marissa Bode), die die Nachfolge ihres Vaters als Gouverneurin angetreten hat, immer mehr, da ihre Liebe zum Munchkin Moq (Ethan Slater) unerfüllt bleibt. Anstatt sich weiter zu verstecken, einschließt sich Elphaba, den Zauberer offen anzugreifen, aber nicht nur, dass ihr Stand im Volk so schlecht ist, dass ihr niemand glaubt, sie kämpft ganz allein und bringt gleichzeitig alle in Gefahr, die ihr wichtig sind …
Kritik:
Die Fortsetzung der so erfolgreichen wie mitreißenden Musical-Verfilmung Wicked [2024] entführt das Publikum erneut in das fantasievolle Land Oz und bringt die Geschichte getreu der Vorlage zu einem nicht weniger aufwändig zum Leben erweckten Abschluss. Dass Wicked: Teil 2 seinem Vorgänger trotzdem in beinahe allen Belangen nachsteht, kann man Regisseur Jon M. Chu kaum zum Vorwurf machen. Es ist vielmehr der Struktur der Geschichte geschuldet, die sämtliche Leichtigkeit einbüßt und mit viel weniger musikalischen Highlights aufwartet, als zuvor.
Einige Jahre sind vergangen, seit Elphaba Thropp den Grimmerich, das Zauberbuch, an sich genommen hat und vom Zauberer von Oz sowie seiner rechten Hand, Madame Akaber, als böse Hexe des Westens gebrandmarkt wurde, die zur Strecke gebracht werden soll. Gleichzeitig treibt der Zauberer seine Vision des „Oz von Morgen“ voran und grenzt die Tiere im Land weiter aus, die sich zunehmend aus Oz zurückziehen. Nur Elphaba stellt sich ihm und seiner Sturmwache entgegen. Glinda, die als Zauberin auftritt, aber selbst keine Kräfte besitzt, ist zwar prinzipiell auf Elphabas Seite, lässt sich aber vom Zauberer für den Ruhm und die Anerkennung des Volkes instrumentalisieren. Mit ihrem geliebten Fiyero ist sie inzwischen verlobt, während Elphabas Schwester Nessarose die Geschäfte ihres Vaters als Gouverneurin von Munchkinland übernommen hat. Die Spannungen zwischen allen Beteiligten werden immer größer, als Elphaba die direkte Konfrontation mit dem Zauberer sucht. Der hat von ihr beim Volk ein solch schreckliches Bild gezeichnet, dass egal, was Elphaba unternimmt, sie nur noch mehr als böse Hexe wahrgenommen wird. Als diejenigen, die ihr wichtig sind, selbst darunter leiden, scheint alle Hoffnung, die Lügen des Zauberers von Oz aufzudecken, verloren.
Dass die Geschichte von Wicked: Teil 2 düsterer, beinahe hoffnungslos klingt, liegt im Grunde daran, dass dies kein weiterer Teil um dieselben Figuren ist, sondern die zweite Hälfte einer zusammengehörenden Erzählung. Insoweit folgt Wicked insgesamt der bekannten Drei-Akt-Struktur, in der vor allem zu Beginn des letzten Drittels die Hoffnungen schwinden, nur dass sich dies hauptsächlich auf Teil 2 konzentriert. So farbenfroh und detailreich diese fantasievolle Welt immer noch aussieht, sie hat viel von ihrem Glanz eingebüßt, wenn man erkennt, dass Oz unter dem Zauberer das Land der Privilegierten werden soll, in der zuerst die Tiere und dann die Munchkins unterdrückt werden. Der Song „No Place Like Home“ bringt auf den Punkt, was Elphaba antreibt, die für ihre Heimat und die Werte, die Ideale, die sie verkörpert, zu kämpfen bereit ist, selbst wenn ihr Zuhause diesen Werten nie gerecht geworden ist. Zahlreiche Songs, die aus Teil 1 bekannt sind, werden als Reprise wieder aufgegriffen und die des Musicals sind auch hier vertreten, ergänzt durch einige neue, die aber nicht nur deutlich kürzer ausfallen, sondern vor allem eine einfallsreiche oder mitreißende Choreografie vermissen lassen.
Wicked: Teil 2 wird weniger durch die Songs erzählt, als der Vorgänger, was Musicalfans enttäuschen dürfte. Es ist dabei bezeichnend, dass das aus dem Musical stammende Lied „As Long As You’re Mine“ das erste ist, das wirklich mitzunehmen vermag. Überhaupt braucht die Story weit über eine Stunde, ehe sie tatsächlich Tempo aufnimmt und steht dann – wie die Vorlage – vor der erzählerischen Herausforderung, dass Wicked gewissermaßen die Rahmengeschichte um die Ereignisse in Der Zauberer von Oz [1939] erzählt. Wer damit nicht vertraut ist, wird sich fragen, woher das Mädchen Dorothy stammt, die durch einen Tornado mit ihrem Haus nach Oz gebracht wird, oder weshalb Charaktere wie die Vogelscheuche oder der Zinnmann so wenig in Aktion zu sehen sind. Dabei haben sie eben einen größeren Anteil an jener Erzählung. Dass sich Filmemacher Jon M. Chu so sehr an die Vorlage hält, sie werkgetreu auf die große Leinwand bringt, wirkt sich am Ende beinahe als Nachteil aus.
Das schmälert nicht den dahinterstehenden Aufwand und der Besetzung gelingt es auf einnehmende Weise, die Figuren mit Leben zu füllen, die hier alle an ihrem Tiefpunkt ankommen. Sei es Glinda, die so tief verletzt ist, dass sie Elphaba gewissermaßen an den Zauberer ausliefert, der zwischen seiner Treue und seiner Liebe hin- und hergerissene Fiyero oder die von Cynthia Erivo nicht minder eindrucksvoll und leidenschaftlich verkörperte Elphaba, die erkennen muss, dass sie vielleicht in der Lage sein kann, die Geschicke in Oz zu verändern, aber dafür genau das Feindbild für das Volk darstellen muss, das benötigt wird, um die Wende zum Guten herbeizuführen. Es ist eine Bürde, die in Anbetracht der vielen Vorkommnisse des letzten Drittels beinahe untergeht, aber den Höhepunkt ihrer persönlichen Entwicklung ausmacht.
All das bringt Wicked: Teil 2 toll zur Geltung und liefert damit einen gelungenen Abschluss für diese Geschichte, die den Mut besitzt, sämtliche ihrer Charaktere in ganz andere Richtungen zu lenken, als man zu Beginn vermuten würde. Die Frage ist nur, ob dies die beste Möglichkeit ist, diese Geschichte zu erzählen. Womöglich hätte eine zusammenhängende Musicalverfilmung mit einer Laufzeit von drei Stunden (oder etwas mehr) die unterschiedlichen emotionalen Ausrichtungen der Erzählung nicht so sehr auseinandergerissen? Oder man hätte die Geschichte an einem anderen Punkt aufteilen sollen, damit nicht die allermeisten musikalischen Highlights Teil 1 vorbehalten sind? In jedem Fall sollten Fans wissen, dass dies zwar der zweite Teil der Erzählung ist, er aber nur wenig der Magie des ersten Films bereithält. Das ist kein Vorwurf im eigentlichen Sinn, sondern Teil der Story. Sie so separiert zu sehen, unterstreicht das nur umso mehr.
Fazit:
Ohne einen Rückblick setzt Filmemacher Jon M. Chu einige Zeit nach den Ereignissen von Teil eins an und präsentiert das Land Oz, das auf den ersten Blick scheint wie zuvor, in dem die Stimmung aber doch eine ganz andere ist. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind aufgehetzt gegen alles Fremde, angetrieben von einer Propaganda, die auf Spaltung ausgelegt ist. Die politischen Parallelen zu unserer heutigen Gesellschaft sind unübersehbar und umso wichtiger ist das Plädoyer für Vielfalt und Toleranz, das die Erzählung auszeichnet. Doch das vermag nicht zu kaschieren, dass die Geschichte kaum durch die Songs vorangetrieben wird und auch die Umsetzung der Gesangseinlagen nur wenig mitzureißen vermag. Nicht nur, dass die Leichtigkeit des Vorgängers verschwunden ist, trotz vieler humorvoller Einlagen wirkt dies so beklemmend düster, man möchte fast meinen, es wäre eine ganz andere Welt. Der Abschluss ist überaus passend und rundet eine tolle, Geschichte mit einer wichtigen Botschaft ab. Aber mit der halbverwobenen Story um Dorothy und ihren Besuch in Oz, der spürbar schnell erzählt wird, während sich die erste Stunde merklich zieht, verlagert sich der Fokus so sehr weg von den etablierten Figuren, dass man sich wünscht, die Verantwortlichen hätten eine andere Lösung gefunden. Dabei bleibt Wicked: Teil 2 der Vorlage durchweg treu und wer Teil 1 und 2 als eine große Geschichte sieht, wird ihre volle Wirkung zu schätzen wissen und sich in dem Land Oz verlieren wollen, das immer noch überlebensgroß und fantastisch zum Leben erweckt wird.

