The Lost Bus [2025]

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Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. November 2025
Genre: Drama

Originaltitel: The Lost Bus
Laufzeit: 130 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Paul Greengrass
Musik: James Newton Howard
Besetzung: Matthew McConaughey, America Ferrera, Yul Vazquez, Ashlie Atkinson, Kate Wharton, Danny McCarthy, Spencer Watson, Nathan Gariety, Gary Kraus, Levi McConaughey, Kay McCabe McConaughey


Kurzinhalt:

Kaum etwas ist in Kevin McKays (Matthew McConaughey) Leben so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hat. War er in seiner Jugend stets darauf aus, seine Heimat, den in Kalifornien gelegenen Ort Paradise, zu verlassen, hat es ihn vor einigen Monaten aus familiären Gründen wieder hierher zurück verschlagen. Zu seinem Teenagersohn hat er kein gutes Verhältnis und seine Vorgesetzte Ruby (Ashlie Atkinson) setzt ihn immer wieder unter Druck, da Kevin wiederholt Termine verpasst. Seit seiner Rückkehr fährt er einen Schulbus und wird von Ruby kontaktiert, nachdem für den östlichen Teil von Paradise eine Evakuierung angeordnet wird, da ein am Morgen entdeckter Waldbrand die Stadt gefährdet. Kevin soll Grundschulkinder abholen, um sie zu einem vereinbarten Treffpunkt zu bringen. Während der Chief der Feuerschutzbehörde Cal Fire, Ray Martinez (Yul Vazquez), alles Menschenmögliche versucht, Paradise vor den Flammen zu retten, steckt Kevin mit 22 Kindern und der Lehrerin Mary Ludwig (America Ferrera) in einem unvorstellbar großen Verkehrschaos fest. Als die Flammen immer dichter kommen, entscheidet er, eine andere Route zu versuchen, doch alle Wege führen sie mitten in die Feuersbrunst hinein …


Kritik:
Der sogenannte „Camp Fire“ Waldbrand, der am 8. November 2018 in Nordkalifornien ausgebrochen war, entwickelte sich in nur Stunden zum tödlichsten und zerstörerischsten Feuer in der Geschichte des US-Bundesstaates. Filmemacher Paul Greengrass erzählt vor diesem Hintergrund in The Lost Bus eine Geschichte, die den Horror jener Stunden ebenso ins Zentrum rückt, wie das persönliche Schicksal von Figuren, die währenddessen über sich hinausgewachsen sind. Das ist packend, folgt in der Erzählung aber vielen altbekannten Genrekonventionen.

Es ist eine defekte Stromleitung, die an jenem Novembermorgen zu einem der verheerendsten Waldbrände führen wird. Eine ungewöhnlich lange Trockenphase legt den Nährboden für das Feuer, während starke Winde eine Verbreitung anfachen, die Kilometer in nur Stunden zurücklegt. Stückweise werden umliegende Gemeinden evakuiert und entsprechend Schulen geschlossen. Kevin McKay fährt im nahegelegenen Paradise einen Schulbus und ist mit seinen familiären Schwierigkeiten im Grunde überfordert, als er den Aufruf seiner Leitstelle hört, ob jemand frei ist, der Grundschülerinnen und -schüler abholen kann, deren Eltern sie nicht rechtzeitig werden abholen können. An sich wollte Kevin nach Hause, wo sein Sohn, von dem er sich entfremdet hat, krank auf ein Medikament wartet, das Kevin noch in der Apotheke abholt. Doch die riesigen Rauchsäulen über den Bergen lassen erahnen, dass der Brand größer sein muss, als viele der bisherigen. So macht sich Kevin auf und ist wenig später mit 22 Kindern und der Lehrerin Mary auf dem Weg zu dem Treffpunkt, wo die Kinder abgeholt werden sollen. Aber da die Funkverbindung ausgefallen ist, erhält Kevin nicht die Information, dass der Treffpunkt verschoben wurde, da das Feuer sie zunehmend einkreist.

Die Distanz, die Kevin mit den Kindern und der Lehrerin Mary überstehen muss, beträgt zwar „nur“ knapp 50 Kilometer, doch sie führt sie durch eine Landschaft, die man sich beim besten Willen nicht vorzustellen wagt. Mitten am Tag scheint es, als wäre es stockfinstere Nacht, da die Rauchwolken jedes Sonnenlicht blockieren. Zuerst am Horizont, später unmittelbar neben ihnen, sehen die Kinder, Mary und Kevin Feuer ausbrechen, der Rauch dringt durch die Lüftungsschlitze ins innere des Schulbusses und die Hitze verwandelt den Bus regelrecht in einen Ofen. Filmemacher Greengrass streut in seine Erzählung immer wieder Aufnahmen des tatsächlichen Feuers ein und bietet so einen Einblick in eine Situation, die man bestenfalls als apokalyptisch beschreiben kann. Fünf Stunden quält sich Kevins Schulbus zuerst durch ein Verkehrschaos, das außer Kontrolle gerät, als die Menschen bemerken, dass sie den Flammen nicht werden entkommen können, ehe Kevin versucht, über eine alternative Route einen Ausweg zu finden, und gewissermaßen im Nirgendwo strandet. Es ist eine Mischung aus einer unvorstellbaren Orientierungslosigkeit und einer überwältigenden Klaustrophobie, die The Lost Bus erzeugt, wenn Kevin inmitten des Rauchs und der Flammen anhalten muss, damit Mary irgendwo nach Wasser suchen kann.

Währenddessen schildert das Drama die Bemühungen des Kalifornischen Forst- und Brandschutzministeriums, das verzweifelt versucht, der Lage Herr zu werden. In Anbetracht der unvorstellbar schnellen Ausbreitung des Brandes, der wie eine Feuerwalze auf die Stadt Paradise mit mehr als 25.000 Seelen zurollt, ist es ein schier aussichtsloses unterfangen, verschlimmert durch technische Widrigkeiten, wie dass die erste Evakuierungsaufforderung nicht übermittelt wurde, oder der Strombetreiber den Strom in den Leitungen nicht abgeschaltet bekommt. Hier deutet The Lost Bus einen größeren Blick auf die Katastrophe an, von dem man sich wünschen würde, dass die Verantwortlichen ihn weiterverfolgen würden. Doch stattdessen ist die Erzählung andersherum aufgebaut, wagt von dem kleinen, persönlichen Drama und dem Kampf ums Überleben nur gelegentlich den Blick auf ein umfassenderes Bild.

Dass diese 22 Kinder zusammen mit Lehrerin Mary (eine weitere war in Wirklichkeit ebenfalls noch im Bus, ist aber auf ihren eigenen Wunsch nicht Teil der Erzählung) und Busfahrer Kevin wie viele andere Betroffene durch die bildliche Hölle gegangen sind, steht außer Frage und ihre Geschichte verdient es, erzählt zu werden. Doch The Lost Bus streut zu Beginn auch andere Blickwinkel ein, wie denjenigen des Behördenmitarbeiters, der sich beim Versuch, Menschen aus dem Brandgebiet zu evakuieren, in einen Bach zurückzieht. Diese Aspekte werden später allerdings nicht mehr aufgegriffen, wie auch Kevins Familie nicht, die er ebenfalls nicht vor der Gefahr warnen kann. Eine breiter angelegte Erzählung, die die Katastrophe aus verschiedenen Blickwinkeln aufarbeitet und Schwachstellen in den Sicherungssystemen offenlegen würde, wäre hier nicht weniger interessant.

Aber selbst wenn die Dialoge oft klingen, als hätte man sie aus anderen Genrefilmen bereits gehört, und die Erzählung bekannten Mustern ähnlicher Filme folgt, insbesondere Matthew McConaughey und America Ferrera machen ihre Figuren greif- und nahbar, so dass man sich unmittelbar mit ihnen in jenem Bus in einer verheerenden Feuersbrunst wähnt. Rasant präsentiert, vermittelt Paul Greengrass nicht nur ein Gefühl für das Ausmaß der Katastrophe, sondern auch die Bedeutung der unvorstellbaren Situation für die einzelnen Charaktere. Das macht The Lost Bus so sehenswert wie effektiv.


Fazit:
Die Bilanz des Waldbrandes ist so erschreckend wie unvorstellbar. 85 Menschen verloren ihr Leben, über 13.000 Häuser wurden zerstört. Sieht man die Bilder der Katastrophe, sowohl die Realaufnahmen wie auch die für den Film erschaffenen, grenzt es an ein Wunder, dass nicht noch Schlimmeres geschehen ist. Filmemacher Paul Greengrass erzählt vor dem Hintergrund dieser zermürbenden und erschreckenden Stunden ein Drama, bei dem der persönliche Aspekt von Busfahrer Kevin McKay beinahe zur Nebensache gerät. Zumal sich der Film dem Kern seiner Situation beinahe erst im Nachgang widmet. Dennoch, die Gesamtumstände sind wie auch die Horror-Fahrt mitten durch den Waldbrand mit einer greifbaren Authentizität zum Leben erweckt, dass man The Lost Bus die Aspekte verzeiht, die man aus ähnlichen Filmen zur Genüge kennt. Stark gespielt, stimmt es in gewisser Weise hoffnungsvoll, wenn ganz gewöhnliche Menschen in außergewöhnlichen Situationen Übermenschliches vollbringen können. Das allein ist bereits sehenswert.
 

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