
Originaltitel: Relay
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2025
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: David Mackenzie
Musik: Tony Doogan
Besetzung: Riz Ahmed, Lily James, Sam Worthington, Willa Fitzgerald, Matthew Maher, Victor Garber, Eisa Davis, Jared Abrahamson
Kurzinhalt:
Auf der Suche nach Hilfe in ihrer immer auswegloser werdenden Situation erhält Sarah Grant (Lily James) eine Telefonnummer. Sie hat von ihrem früheren Arbeitgeber Unterlagen entwendet, die eine Vertuschungsaktion belegen. Auf Grund von Nebenwirkungen ist die Lebensmittelsicherheit gefährdet. Die Unterlagen sind noch nicht öffentlich gemacht worden, aber Sarah wird seither belästigt und eingeschüchtert. Über die Telefonnummer nimmt sie indirekt Kontakt mit Ash (Riz Ahmed) auf, der sich darauf spezialisiert hat, in solchen Situationen zu vermitteln. Ziel soll sein, dass er die Unterlagen im Original behält und sicher verwahrt, dafür einigen sich Sarah und ihr Arbeitgeber auf eine Abfindung und darüber, die jeweils andere Partei nicht mehr zu behelligen. Doch Ash muss erkennen, dass das Team um Dawson (Sam Worthington), der beauftragt wurde, die Dokumenten zurück zu holen, nicht nur Sarah ständig überwacht, sondern auch ihn selbst aufzuspüren versucht. Je mehr Sarah unter Druck gerät, umso mehr fühlt sich Ash verantwortlich. Dabei läuft Ash Gefahr, seinen größten Schutz zu verlieren: seine Anonymität …
Kritik:
Wie sein stimmungsvoller Hell or High Water [2016] ist David Mackenzies neuer Film kein explosiver Thriller, sondern eine brodelnde Erzählung, die nur punktuell aus sich herausbricht. Das ist kein Vorwurf, aber selbst wenn nur Menschen aus New York die örtliche Authentizität von The Negotiator werden bezeugen können, der Geschichte fehlt es für eine Milieustudie an charakterlichem Tiefgang und so gut all dies gespielt und in Szene gesetzt ist, die Erzählung kann nur in wenigen Momenten wirklich packen.
Sie beginnt damit, wie ein sichtlich verletzter Mann zu einem Diner mitten in der Nacht fährt. Er wirkt nervös und übergibt Unterlagen an jemanden, dessen ganzes Auftreten, inklusive seinem Designeranzug, die Sprache sprechen, dass er an sich gar nicht dort sein müsste. Wie man später erfährt, war der nervöse Mann ein ehemaliger Angestellter eines Pharmakonzerns, dessen neue Produkte schwere Auswirkungen haben können. Er hatte Beweise sichergestellt, wurde vom Konzern aber ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt. Deshalb wandte er sich an einen unbeteiligten Dritten, der als Mittelsmann zwischen den Parteien verhandelte. Ebenso ergeht es nun der Wissenschaftlerin Sarah Grant, die von ihrer Firma gekündigt wurde, da sie gesundheitliche Nebenwirkungen bei der Entwicklung einer neuen Weizensorte festgestellt hatte, die die Firma vertuschen möchte. Seither wird sie schikaniert und sucht nach Hilfe. Ihr wird eine Telefonnummer übermittelt, über die sie Kontakt mit einer Person aufnimmt, die sie nie zu Gesicht bekommen soll. Stattdessen werden sie beide mit einem sogenannten Relay-Service verbunden, der an sich für Menschen mit eingeschränktem Seh- oder Hörvermögen gedacht ist. Sarah spricht mit einer Person beim Relay-Service, die die Antworten in Textform an eine andere Person weitergibt. Am Ende der Leitung sitzt Ash, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, in Situationen wie der von Sarah als Vermittler zu fungieren. Er ist nicht dafür da, Whistleblower zu beschützen, sondern sorgt dafür, dass diejenigen, die mit ihren Funden nicht an die Öffentlichkeit gehen, eine Übereinkunft mit ihren früheren Arbeitgebern finden können, an die sich beide Parteien halten.
Die Grundidee klingt so einfach wie kompliziert. Sarah und Ash sollen sich idealerweise nie begegnen, ebenso wenig wie Ash und Sarahs früherer Arbeitgeber. Sie wird ihre Beweise an Ash übergeben, der sie sicher verwahrt und als unbeteiligte Partei sicherstellt, dass sie geheim bleiben. Wenn Sarah etwas geschieht, oder die Firma sich nicht an die Vereinbarung hält, wird Ash Sarahs Unterlagen publik machen. Das Vorgehen ist dabei durchaus durchdacht und der Einfall mit dem Relay-Service, um nicht persönlich in Kontakt zu kommen, überaus gelungen. Doch die Ausgangslage von The Negotiator sorgt auch dafür, dass Ash die meiste Zeit über allein agiert und keine Person hat, die sein direkter Gegenspieler ist. Riz Ahmed hat dementsprechend in der ersten Filmhälfte kaum einen Dialog, sieht man von den Treffen der Anonymen Alkoholiker, zu denen er geht, einmal ab. Aber selbst wenn er in einer Sitzung seine gesamte Geschichte erzählt, man erfährt über ihn als Figur erstaunlich wenig. Dafür interessiert er sich immer mehr für Sarah, die in Anbetracht der Situation vollkommen verängstigt ist. Ein ganzes Team ist offenbar abgestellt, sie zu überwachen und sie einzuschüchtern und als dessen Leiter Dawson mitbekommt, dass sie mit Ash kommuniziert, heftet sich das Team auch an Ashs Fersen.
Hier entwickelt The Negotiator durchaus eine bedrohliche Atmosphäre und in den Momenten, in denen Ash Sarah direkte Anweisungen für den Austausch gibt, auch eine gewisse Spannung. Die Übergabe am Flughafen ist ebenso toll umgesetzt, wie der Augenblick in der Oper. Doch gerade zu Beginn bleibt, was für Sarah auf dem Spiel steht, zu abstrakt, als dass ihre Situation tatsächlich mitreißen würde, schon allein, da im Gegensatz zur Eröffnung des Films, nie gezeigt wird, dass ihr tatsächlich eine Gefahr droht. Dafür wartet die Erzählung im Verlauf mit einer Wendung auf, die zwar bestimmte Ungereimtheiten der Geschichte erklärt, dafür aber wieder neue schafft. Vor allem jedoch wird sie einen Teil des Publikums sicher verprellen, was schade ist, da Regisseur Mackenzie handwerklich ein gutes Gespür für die Figuren in den jeweiligen Situationen besitzt und sowohl Ahmed als auch Lily James ohne Dialog und ohne gemeinsam in der jeweiligen Szene zu sein, sichtbar miteinander harmonieren.
All das tröstet aber nur bedingt darüber hinweg, dass The Negotiator nie sein volles Potential auszuschöpfen vermag. Die Erzählung bleibt stets zurückgenommen und wenn das Finale auf Action setzt, hat man doch das Gefühl, als ob sie mit einer durchgehenden Zurückhaltung präsentiert wird. Das bedeutet nicht, dass es nicht lohnt, die Geschichte zu entdecken und für Fans eines ruhigen Thrillers bietet David Mackenzies Erzählung genau das, wenn man die nicht immer unterstützende Musik im Hintergrund ausblendet. Man kann nur kaum übersehen, dass hier mehr möglich gewesen wäre.
Fazit:
Es ist durchaus eine Herausforderung für die Erzählung, wenn die beiden zentralen Figuren, die miteinander durchweg in Kontakt stehen, sich nach einer Stunde zum ersten Mal überhaupt begegnen. Doch dank der Besetzung funktioniert das erstaunlich gut, wobei Riz Ahmed lange Zeit kein Wort sagt. Was in ihm vorgeht, was er plant, muss das Publikum durch Beobachten herauslesen. Die Verbindung zwischen Ash und Sarah ist greifbar und ihrer beider Situation durchaus nachvollziehbar. Doch so clever die Idee in der ersten Hälfte geschrieben ist, in der es dafür an packenden Augenblicken mangelt, wenn die Story dies umdreht, auf Action setzt, nachdem vom Publikum ein inhaltlicher Glaubenssprung erwartet wird, verliert der Slow-Burn-Thriller Einiges von seinem Reiz. So zurückhaltend die gesamte Erzählung ist, so stimmungsvoll ist sie auch und erinnert diesbezüglich an Catch The Killer [2023]. Man würde sich nur wünschen, dass The Negotiator den Hintergrund der Figuren stärker ins Zentrum rücken und eine mitreißendere Route wählen würde. Dann wäre er vermutlich auch einem größeren Publikum zugänglicher.