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Dafür werden keine Filme gemacht
Treffpunkt: Kritik Nach der Krise ist vor der Krise. Wenn ein Leitspruch für unsere Zeit gilt, dann dieser. Dabei hatten die Kinobetreiber gehofft, mit dem Eintreffen von 3D endlich die Krisenzeiten hinter sich zu lassen. Werbespots wie "Dafür werden Filme gemacht" und Selbstbeweihräucherungen angesichts von Rekordumsätzen hatten eines beinahe verdrängt: das Kino ringt um seine Existenz(berechtigung). Nur was tun?
Ein Kinobesuch, der vor fünfzig Jahren umgerechnet ein paar Cent gekostet hat, ist heute so etwas wie ein Miniurlaub von der Wirklichkeit. Und ein kostspieliger dazu. Sieht sich eine vierköpfige Familie einen 3D-Kinderfilm im Kino an, ist der Zahlmeister an der Kasse gut und gern 40-50 Euro los – das Popcorn nicht mitgerechnet. Ebenso wenig das Eis hinterher oder die Parkuhr. Angesichts der Menge an 3D-Filmen, die in absehbarer Zeit ins Kino kommen, ist dies auf Dauer eine Frage der Finanzierbarkeit, zumal viele Produktionen ausschließlich in 3D gezeigt werden und die 2D-Version gar nicht mehr erst anläuft. Das Kinoticket für einen 3D-Film kann sich in Großstädten gut und gern auf 12 Euro belaufen, für eine 2D-Normalvorstellung zwischen sechs und neun Euro. Bekommt man bei 3D immerhin einen Mehrwert durch die weitere Dimension suggeriert (ob diese nun beim Erstellen des Films beabsichtigt war oder billig hinterher hinzugetrickst wurde, sei einmal dahingestellt), muss man sich bei normalen Filmen durchaus fragen, was man dafür geboten bekommt. Spricht man das Kinopersonal auf das dunkle, unscharfe Bild an, bekommt man meist ein "ja, ist bekannt" zu hören – nur ändert sich an dem Zustand bis zum nächsten Kinobesuch nichts. Fasst man dann einmal zusammen, dass Kinoblockbuster, die bis vor einem Monat in den Lichtspielhäuser liefen Ende Mai bereits auf Blu-ray erhältlich sein werden und mit den heutigen Heimkinos und großen Fernsehern auch eine Gruppe mit mehreren Leuten ebenso ansprechend unterhalten werden kann, muss man sich fragen, was einen Kinobesuch denn noch auszeichnet. Das Popcorn kann man selbst besorgen, der Film ist auf dem Fernseher heller, schärfer und in der Lautstärke, die man selbst bestimmt. Hat man den Film aus der Videothek ausgeliehen, muss man pro Person mit 80 Cent rechnen, oder kauft man sich die Disc kurzerhand, sind weniger als fünf Euro pro Zuschauer (immer noch die Vierergruppe im Sinn) fällig.
Nun gibt es diejenigen, die behaupten ein Film wirke überhaupt nur im Kino und auch das Popcorn würde dort besser schmecken. Dies mag alles richtig sein, nur wenn einem als Zuschauer ein Premiumpreis abverlangt wird, sollte die Präsentation auch im Premiumstil erfolgen. Lapidare Ausreden der Kinobetreiber, die Kopien wären mangelhaft oder die Geräte überholt, zählen nicht, immerhin können die Betreiber selbst aktiv werden und mangelhafte Kopien zurückschicken, beziehungsweise veraltete Geräte austauschen. Das Gejammer der Kinobetreiber ist angesichts der Preispolitik nicht haltbar und wirkt genau so lächerlich, wie wenn James Cameron behauptet, die 30 Minuten zusätzlicher Szenen seines Erfolgsfilms Avatar - Aufbruch nach Pandora könnten in einer zukünftigen Veröffentlichung nur als Rohfassung beigelegt werden, weil man sich die Fertigstellung nicht leisten könne (der Film hat bislang auch nur 2,7 Milliarden Dollar eingenommen).

2009 verzeichneten die europäischen Kinobetreiber einen Rekordumsatz und allein in Deutschland ein Plus von 13 % gegenüber 2008. Die Ticketverkäufe sind dabei nur leicht gestiegen, der größte Zuwachs kam durch die Zusatzpreise bei 3D-Filmen. Auch 2010 dürfte sich das Vorjahresergebnis damit steigern lassen, immerhin wirkt allein das größte 3D-Zugpferd Avatar das komplette erste halbe Jahr, obwohl der Film bereits für das Heimkino erhältlich ist. Außerdem soll er im Herbst erneut in einer etwas längeren Fassung wieder ins Kino kommen.
Die Zuschauerzahlen selbst sind im Kino tendenziell eher rückläufig, was auch etablierte Kinobetreiber mit Spartickets oder Supertickets ausgleichen wollen. Hierbei kauft man beispielsweise ein Set von fünf Kinotickets zum Festpreis von 32,50 Euro. Bis auf 3D-Vorstellungen können die Tickets dann für jeden Film eingesetzt werden, egal welche Uhrzeit, welcher Wochentag oder ob Überlänge oder nicht. Damit bleibt das Kino wenigstens vorübergehend konkurrenzfähig, auch wenn die Bezahldownloads auf den verschiedenen Onlineplattformen wie Videoload oder maxdome auf dem Vormarsch sind. In den USA gibt es inzwischen auch auf dem beliebten YouTube Bezahlinhalte – sollte sich dieses System durchsetzen, hätten die anderen Portale mit Sicherheit um ihre Kunden zu bangen, denn wer kennt YouTube nicht?

Eine Alleinstellung nimmt das Kino derzeit durch 3D ein. Die wievielte Renaissance dieser Technik das Kino hier derzeit feiert sei dahingestellt, nur scheint es diesmal in der Tat, als wäre 3D da, um zu bleiben. Und doch könnte die Zeit, in der das Kino der einzige Ort war, an dem man diese Filme beobachten konnte, schon wieder vorbei sein, die ersten 3D-Fernseher sind inzwischen verfügbar, Firmen wie Samsung, Panasonic und Sony planen eine breite 3D-Offensive und ab dem nächsten Jahr sollen auch in großem Maße die zugehörigen Filme folgen.
Der größte Unterschied zwischen Kino und Heimkino ist dabei nicht nur die Technik, sondern wie gewohnt der Anschaffungspreis. Bereitet die 3D-Präsentation im Kino oftmals Menschen mit Augenstellungsfehlern auf Grund der polarisierten Brillengläser Probleme, haben diese mit den für das Heimkinoerlebnis geplanten Shutterbrillen weniger Schwierigkeiten. Doch die schnellen Hell-Dunkel-Wechsel werden Menschen mit Schwindelgefühl und Epilepsieneigung zu schaffen machen. Außerdem sind die Shutterbrillen mit einem Anschaffungspreis von 80-100 Euro nicht billig – zusätzlich zum TV-Gerät, das derzeit noch doppelt bis dreimal so teuer ist wie ein normaler HD-Fernseher gleicher Qualität und Größe. Ärgerlich ist dabei, dass die Brillen nur beim Fernseher gleichen Herstellers funktionieren und nicht austauschbar sind, was bedeutet, dass bei einer Neuanschaffung auch alle Brillen neu gekauft werden müssen. Dafür sind die Heimkinobrillen aber deutlich heller und das Bild somit farbenfroher und brillanter. Rechnet man zudem den Mehrpreis für das Kinoticket bei 3D-Vorstellungen hinzu und bedenkt, dass in Zukunft auch Fernsehprogramme in 3D ausgestrahlt werden sollen (manche Fernseher werden beispielsweise im Bundle mit Pay-TV-Abonnements inklusive 3D-Kanal günstiger angeboten), muss man sich fragen, ob das (3D-)Kino nicht spätestens dann wieder vor demselben Zuschauerschwund steht, wenn die Haushaltsgeräte im Preis sinken.

Dann wird dem Kino nur noch zugute kommen, dass die Filme erst drei bis sechs Monate nach Kinostart für die Heimkinoversion zur Verfügung stehen werden und es nicht möglich ist, illegale Mitschnitte der 3D-Kinovorführung am heimischen Fernseher in 3D zu bestaunen. Nur was, wenn die Studios nach zögerlichen Versuchen doch noch den Sprung wagen und ihre Filme gleich in breitem Maße für das Heimkino zur Verfügung stellen werden? Sollte es endlich gelingen einen Kopierschutz zu entwickeln, der sich nicht umgehen lässt (spätestens mit den Video on Demand-Plattformen wird sich das realisieren lassen), kann man sich den Vertriebsweg über das Kino sparen. Und sollten die Kinobetreiber nicht endlich verstehen, dass die Zuschauer bereitwillig ins Kino gehen, wenn die Präsentation stimmt, wird nicht zuletzt angesichts der gestiegenen Ticket-Preise und der verfügbaren, qualitativ hochwertigen Heimkinolösungen die Zuschauerschaft zuhause bleiben.
Eine Existenzberechtigung erarbeiten sich die Kinobetreiber nicht mit einem Alleinstellungsmerkmal (3D), das sich der Zuschauer über einen deutlichen Mehrpreis erkaufen muss, sondern damit, dass sie den Anschluss an die Konkurrenz (das Heimkino) nicht verlieren, das qualitativ zum Teil meilenweit voraus ist und dabei preislich günstiger kommt.
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