5ive Days to Midnight [2004]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 02. August 2004
Genre: Thriller / Drama / Science FictionOriginaltitel: 5ive Days to Midnight
Laufzeit: 204 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Michael W. Watkins
Musik: John E. Nordstrom
Darsteller: Timothy Hutton, Randy Quaid, Kari Matchett, Gage Golightly, Hamish Linklater, Angus MacFadyen, David McIlwraith, Giancarlo Esposito, Nicole de Boer
Kurzinhalt:
Am Montag, dem 7. Juni 2004 besucht Physik-Professor J.T. Neumeyer (Timothy Hutton) zusammen mit seiner Tochter Jesse (Gage Golightly) das Grab seiner bei Jesses Geburt vor zehn Jahren verstorbenen Frau. Dort entdecken die beiden einen metallenen Aktenkoffer, der mit einem Zahlenschloss versehen und an J.T. Neumeyer gerichtet ist.
Als J.T. den Koffer später öffnet findet er darin eine Polizeiakte über seine Ermordung, die am Freitag Nacht in einer Stripbar stattfinden soll. Anfangs überzeugt, dass es sich dabei um einen Scherz seines Studenten Carl (Hamish Linklater) handelt, ist J.T. nicht weiter beunruhigt, bis Berichte in Zeitungsausschnitten aus dem Aktenkoffer tatsächlich eintreffen. So wendet sich der Physikprofessor an den Polizisten Irwin Sikorski (Randy Quaid), der skeptisch Neumeyers Freundin Claudia (Kari Matchett) unter die Lupe nimmt.
Ihr noch-Ehemann Roy Bremmer (Angus MacFadyen), der in Chicago ein hohes Tier in der kriminellen Szene ist, hätte ein Motiv, J.T. zu ermorden – aber wie steht es mit Carl, oder Claudia? Oder J.T.s Schwager Brad Hume (David McIlwraith), der in Geldnot geraten ist? Und wie soll ein Aktenkoffer überhaupt aus der Zukunft gekommen sein? Während J.T. versucht, die Liste an Verdächtigen auszuschließen, läuft ihm die Zeit davon ...
Kritik:
Zeitreisen sind im Science-Fiction-Genre ein beliebtes Thema – und bei Fans ein Gefürchtetes. Nicht, dass diese Geschichten kein Potential bieten würden, ihr Problem ist vielmehr die Logik. Während die meisten Autoren durchaus verstehen, die Spannung mittels einer Zeitreise und der vermeintlich eintretenden Geschehnisse geschickt miteinander zu verbinden, scheitert es letztendlich doch an der simplen Logik der eigentlichen Zeitabläufe. Wird eine Situation, die die Zeitreise selbst im Endeffekt nach sich zieht, erst durch die Zeitreise hervorgerufen, steht man als denkender Zuschauer vor einem Paradoxon. In der bekanntesten Zeitreisetrilogie, Zurück in die Zukunft [1985-1990] umgingen die Macher das Problem, da die Zeitreise selbst unbeabsichtigt war und Paradoxa verhindert werden sollten. 5ive Days to Midnight bereitet den Zuschauer hingegen lange auf die kommenden Logikfehler vor und überrascht dann doch vor allem dadurch, dass die Autoren selbige offensichtlich in Kauf genommen haben, um einen Thriller zu erzählen, der gar kein Zeitreiseelement gebraucht hätte.
Doch genau das rechtfertigt natürlich die Eigenproduktion des amerikanischen Sci-Fi-Channels, der hier für den Science-Fiction-Thriller eine Riege an Hollywood-Darstellern auffährt, die in jeden Kinofilm passen würde. Mit Timothy Hutton, Randy Quaid und Giancarlo Esposito sind durchaus bekannte Namen vertreten, die die Fernsehproduktion sichtlich über die eher mittelmäßige Qualität des Drehbuchs heben und die fünf Stunden gar erst sehenswert machen.
Das Drehbuch, verfasst von David Aaron Cohen (Vertrauter Feind [1997]), Robert Zappia (Halloween H20 – 20 Jahre später [1998]) und Anthony Peckham (Sag' kein Wort [2001]) überrascht dabei mit einer wirklich interessanten und einfallsreichen Geschichte, die in den ersten drei Stunden auch überzeugen kann. Dann werden nämlich nacheinander die verschiedenen Verdächtigen präsentiert und es wird deutlich, dass viele wirklich ein Motiv für den Mord hätten. Auch wenn J.T. Neumeyer versucht, aus Washington zu fliehen, um dem Ganzen dadurch zu entgehen und doch keine Möglichkeit zu finden scheint, seine Zukunft zu ändern, punktet das Skript mit guten Einfällen und recht gelungenen Dialogen.
Die für Fernsehproduktionen üblichen, holprigen Gespräche sucht man glücklicherweise vergebens. Auch die Charaktere sind gut ausgebaut und mit einem interessanten Hintergrund versehen. Allenfalls der klischeehafte Bösewicht Roy Bremmer enttäuscht hier, das zum Teil aber auch durch den Darsteller, der bisweilen unfreiwillig komisch wirkt.
Der Szenenaufbau und die Präsentation des Krimirätsels sind gut gelungen, auch dass Neumeyer dem Aktenkoffer zuerst keinen Glauben schenkt und der Sache mit gesundem Menschenverstand beizukommen versucht, überzeugt. Doch enttäuscht gerade das Finale auf vielen Ebenen. Statt die Zeitreisestory richtig aufzulösen wird die Erklärung mit wenigen Worten abgehandelt, einen Epilog, in dem die Personen dem Geschehen und der gewonnen Zeit einen positiven Aspekt abringen, gibt es nicht, dafür zieht sich die Story mit unwichtigen Nebenfiguren wie Brad Hume unnötig in die Länge, den man so in unzähligen anderen Produktionen schon gesehen hat. Die eigentliche Handlung von 5ive Days to Midnight hätte man auch problemlos in drei, höchsten vier Teilen erzählen können. So nimmt sich das Skript zwar bisweilen angenehm viel Zeit für die Charaktere, allen voran J.T. Neumeyer, der in kurzer Zeit versucht, wenigstens seiner Tochter eine Nachricht zu hinterlassen, die Story mäandriert aber bisweilen unangenehm, auch wenn es nie wirklich langweilig wird. Wenn jedoch Carl angeblich theoretisch beweist, dass das Universum in sich zusammenfallen wird, wenn Neumeyer den kommenden Freitag überlebt, ohne dass der Zuschauer dafür auch nur den Ansatz eines Beweises hört, nimmt der technische Aspekt der Story fast schon groteske Ausmaße an.
Das Drehbuch wirkt wie ein in die Länge gezogener Rohschnitt eines grundsätzlich vielschichtigen und tiefgehenden Thrillerdramas, das hier aber zu oft nur an der Oberfläche kratzt und sich stattdessen mit Nebenfiguren aufhält, die einfach nicht wichtig genug sind.
Die Darsteller tragen den bisweilen überraschend philosophischen Gesprächszeilen Rechnung und geben sich sichtlich Mühe, allen voran Timothy Hutton, der das Schauspiel vor der Kamera sichtlich genießt und den alleinerziehenden Vater ebenso gut verkörpert wie den verzweifelten Todgeweihten. Dass er trotz einiger sehr guter Rollen und seinem Oscar für Eine ganz normale Familie [1980] nie den Sprung in die erste Liga der Hollywoodstars geschafft hat ist bedauerlich, das Zeug zum Leinwandfüller hat er ganz offensichtlich und dank seines sympathischen Auftretens fiebert man mit ihm wirklich mit.
Randy Quaid hat zwar bislang noch keinen Oscar bekommen, war für Das letzte Kommando [1973] nominiert und ist damit seinem jüngeren Bruder Dennis Quaid um eines voraus. Doch verschenkt sich der solide Darsteller zu oft in zweitklassigen Krimis und drittklassigen Komödien, dabei kann er ganz offensichtlich deutlich mehr, als man ihm zutrauen würde. In 5ive Days to Midnight überzeugt er durch seine Skepsis ebenso wie seine Undurchsichtigkeit, auch wenn er nicht so viel Zeit vor der Kamera verbringen darf, wie man es ihm vielleicht zugestehen würde.
Die Kanadierin Kari Matchett war zwar bisher noch in keiner großen Kinoproduktion zu sehen, überzeugt hier aber durch ein routiniertes Spiel, auch wenn ihr Charakter leider stets unterkühlt wirkt, was aber nicht ihr, sondern dem Drehbuch anzulasten ist. Für Gage Golightly war es erst der dritte Einsatz vor der Kamera und auch wenn sie recht natürlich wirkt, schauspielerisch ist sie nicht wirklich gefordert.
Angus MacFadyen, der unter anderem schon in Braveheart [1995] zu sehen war, vermag hier nicht wirklich zu überzeugen, aber auch das liegt an der klischeehaften Rolle, die er mimen muss – im Gegensatz zu Hamish Linklater, der als etwas verschrobener Physikstudent durchaus gefallen kann. Sein fast schon autistisches Schauspiel verleiht ihm dabei ebenso viel Sympathien, wie es einen beunruhigt und seine Beteiligung an der Ermordung J:T. Neumeyers bleibt bis kurz vor Schluss offen.
Die üblichen Darsteller, sei es nun Giancarlo Esposito, der bei zahlreichen Auftritten in Film und Fernsehen gezeigt hat, dass er sehr gut spielen kann, David McIlwraith oder die hier völlig überschminkte und unterforderte Nicole de Boer mimen routiniert, haben aber nicht viel zu tun. Der übrige Cast ist dem Thema angemessen und fällt nie negativ auf.
Wenn man selbiges nur über die Inszenierung sagen könnte. Regisseur Michael W. Watkins war bislang unter anderem für Episoden der Serien Millennium [1996-1999], CSI – Tatort Las Vegas [seit 2000] und Smallville [2001-2011] verantwortlich – prinzipiell keine schlechte Ausgangslage. Wenn man sich ansieht, mit welcher Hand er die Darsteller führt und wie die Kameraeinstellungen von Joel Ransom (unter anderem Band of Brothers - Wir waren wie Brüder [2001]) gewählt sind, war er als Regisseur auch keine schlechte Wahl.
Wäre da nicht Cutter David Crabtree, der alle paar Minuten für fast eine halbe Minute mit einer derart fehlplatzierten Zeitlupe daherkommt, dass einem beim Zuschauen buchstäblich schlecht wird. Überdies handelt es sich bei den Zeitlupen nicht um die gewohnte Slow-Motion, also das langsame Abspielen des Films, sondern eine der in den letzten Jahren besonders in die Mode gekommenen Zeitlupen, bei denen das Geschehen einfach mit weniger Bildern in der Sekunde dargestellt wird und sich das Gezeigte darum ruckartig bewegt. Das wirkt bereits beim ersten Mal peinlich, beim zweiten Einsatz billig, rechnet man aber die gut 10-20 Minuten der insgesamt über drei Stunden des TV-Films zusammen, in denen der Zuschauer mit dieser Technik malträtiert wird, staut sich in jedem vernünftigen Zuschauer die Wut.
Nicht nur, dass Actionszenen wie einstürzende Bäume und das gesamte Finale (!) so gezeigt werden, nein die Technik wird auch noch exorbitant bei Dialogen eingesetzt, als ob es überhaupt Sinn machen würde, eine Zeitlupe zu zeigen (von so einer solchen ganz zu schweigen). Zweifelsohne bekommen die Macher damit ihre 44 Minuten pro Episode des Fünfteilers voll. Wohl aber auf kosten der künstlerischen Qualität, die darunter nicht nur leidet.
Inszeniert ist 5ive Days to Midnight grundsätzlich überaus sauber und mit einem guten Auge für interessante Bilder, wären da eben nicht diese übelkeiterregenden Zeitlupen am laufenden Band. Es gibt inzwischen auch Vermutungen, dass die Macher damit kaschieren wollten, dass der Film nicht in Everett, Washington gedreht wurde, wo das Geschehen stattfinden soll, sondern in Vancouver in Kanada. In der Tat bekommt man bei den Außenaufnahmen so nicht viel mehr zu sehen als die Darsteller in viel zu wenig Bildern pro Sekunde.
Während sich Regisseur und Kameramann wirklich Mühe geben, die Fernsehproduktion mit einer ansehnlichen und routinierten Optik zu versehen, zerstört der missratene Schnitt jegliche Kinoflair, jegliche Routine und jeglichen Spaß am Zuschauen. Dass sich die Zeitlupen in den letzten beiden Episoden gar noch häufen macht das Elend leider nicht besser.
Ganz anders hingegen die Musik von John Nordstrom, der zwar bislang hauptsächlich für Fernsehserien verantwortlich war, der hier aber neben einem eingängigen, wenn auch deutlich aggressiveren Thema als man erwarten würde, einen soliden und überraschenden Score geschaffen hat, der sowohl mit ruhigen Themen, als auch schnelleren und elektronischeren Passagen überzeugen kann.
So passt sich die Musik sehr gut den Szenen an, ohne negativ aufzufallen und bietet mit den einzelnen Themen dennoch genügend Wiedererkennungsmomente, um den Zuschauer gleich auf eine Szene einzustimmen.
Dass man bei einer Science-Fiction-Produktion nicht auf Storyfehler schauen sollte ergibt sich von selbst, dennoch sind manche Recherchefehler überaus ärgerlich. Sei es, dass in einer Rückblende in die Nacht von Jesses Geburt im Radio von O.J. Simpsons Morden zu hören ist, die aber erst fünf Tage später stattfanden, oder dass sich die aus der Zukunft stammenden Zeitungsausschnitte nicht immer plötzlich verändern, wenn die Zukunft selbst geändert wurde.
In den USA wurde die Miniserie übrigens vom 7. Juni 2004 bis 11. Juni (Montag bis Freitag) übereinstimmend mit den Daten in den einzelnen Episoden ausgestrahlt.
Dass die Produzenten David Kirschner und Karen Loop deutlich mehr auf dem Kasten haben, haben sie bei dem beunruhigenden und aufwühlenden Thriller Dämonisch – Frailty [2001] bewiesen, hier jedoch enttäuscht der sichtliche Aufwand trotz der anfangs interessanten Geschichte vor allem durch das verpfuschte Handwerk, das einem buchstäblich den Spaß am Zuschauen nimmt.
Die Story hätte man zwar auch ohne Zeitreiseelement erzählen können, doch verleiht gerade der Aspekt hier etwas Unheimliches, das einen als Zuseher interessiert. Schade nur, dass man auf die brennendsten Fragen keine Antwort erhält und auch nach dem Finale mit nur wenigen Worten abgespeist wird.
In der Form wirkt Michael W. Watkins Film unfertig und man wird das Gefühl nicht los, dass man das vorhandene Material nur anders hätte zusammenschneiden müssen, um einen spannenderen, strafferen und auch besseren Thriller zu erhalten. Die Bedingung, die Geschichte auf fünf Episoden a 45 Minuten auszuwalzen, hat dem Skript nicht gut getan.
Fazit:
Wie so oft bei Fernsehproduktionen wird man nach der verbrachten Zeit das Gefühl nicht los, dass man dieselbe Geschichte mit einem größeren Budget und kürzerem, kompakterem Drehbuch auch als Kinofilm hätte erzählen können. Dank des Zeitreiseelements wirkt das Skript durchaus originell und wären da nicht die soliden Dialoge und guten Charaktermomente, würde einem der gehetzte und gestelzte Schluss gar nicht negativ auffallen. So enttäuscht aber die Auflösung von 5ive Days to Midnight, besonders angesichts der hoch gesteckten Erwartungen nach den ersten drei Stunden.
Handwerklich gibt sich der TV-Mehrteiler routiniert, abgesehen von einer erbärmlich ärgerlichen Schnittarbeit, die bei manchen Zuschauern zweifelsohne für Übelkeit sorgt und unfreiwillig zum Griff zur Fernbedienung motiviert. Die gute Musik und die wirklich engagierten Darsteller trösten darüber zwar hinweg, im Endeffekt sieht man aber bei diesem Science-Fiction-Thriller vor allem eines: unglaublich viel Potential, das zwischen dem Drehbuchgedanken und der Endfassung auf der Strecke geblieben ist.